Vortrag, traurige Erlebnisse, Shoppingcenter und Orkanpicknick

Freitag. Nach knapp 5 Stunden Schlaf freue ich mich absolut gar nicht über den Wecker. Ich verkürze etwas meine Morgenroutine, drehe mich nochmal kurz um. Nach dem Frühstück geht es auf in die Arbeit und im Uber schlafe ich fast ein. Angekommen erfahre ich, das es heute ein Stationsmeeting gibt, bei dem auch Ärztinnen aus anderen Krankenhäusern dabei sind. Es werden die Statistiken der letzten drei Monate besprochen – wie viele Geburten, wie viele Abtreibungen, wie groß sind die Babys, wie alt die Mutter und so weiter. An sich ja ganz interessant, aber dieses Runterrattern der Statistiken führt dazu, dass meine kleinen Äuglein fast zufallen. Ich unterdrücke immer wieder mein Gähnen und denke mir MAAAN wieso bin ich zum Karaoke gegangen uff…
Im Anschluss an die etlichen Zahlen wird ein Vortrag gehalten zur Verbesserung der HIV-Erkennung bei Müttern, zum Übertragungsschutz für die Kinder etc. Das ist echt super spannend und ich werde wieder etwas frischer. Im Anschluss daran gibt’s einen Auffrischungskurs zur Intubation von Kindern. Auch wahnsinnig interessant und ich darf auch mal probieren. Das sind alles so Sachen, bei denen man hofft, dass man sie nie im Leben brauchen wird…. Naja falls es mal der Fall sein sollte, weiß ich jetzt immerhin, was zu tun ist.

17.02.2023 Jamie beim Intubieren 🙂

Danach gibt es ein Buffeeeet hehe mega geil. Essen und ich bin glücklich. Zwei Medizinstudent:innen sind auch dabei und ich unterhalte mich ein bisschen mit ihnen – das ist echt cool. Ich hole mir auch ein paar Infos zu meinem bevorstehenden Trip.
Ich schiebe hier noch ein Ereignis von gestern ein, was ich beim Blogeintrag vergessen hatte. Ein trauriges Thema, was ich hier gerne verarbeiten will… Eine junge Frau kommt zum Entfernen ihrer Kaiserschnittnähte, kommt aber nicht wie alle anderen ihresgleichen mit einem Baby auf dem Arm sondern mit leeren Händen ins Zimmer. Die junge werdende Mama hat eine Fehlgeburt gehabt und damit kein kleines, schreiendes Bündel aus dem Krankenhaus mit nach Hause genommen.
Ich höre davon und versuche, mich schonmal psychisch bereit zu machen – keine leichte Aufgabe… Die Schwester, mit der ich hier im Zimmer bin, ist eine wundervolle Seele und ich bin froh, dass ich dieses Erlebnis nicht alleine mitanhören muss. Sie fragt die Frau erstmal nach dem Geburtshergang und nach dem Grund für die Fehlgeburt und hört einfach nur zu, wo zugehört werden muss.
Dann ist sie dran und wählt wunderschöne Worte, schöpft Hoffnung mit ihren Aussagen, spricht Mut und Zuversicht aus. Sie erzählt, dass sie 4 Mamas mit Fehlgeburten, ein Jahr später genau an diesem Ort mit wunderhübschen gesunden Babys wiedergetroffen hat. Sie leitet die junge Frau weiter an das Zoe-Projekt, eine Initiative hier, die bei Geburten unterstützt und unter anderem eben auch Trauerhilfe nach Fehlgeburten leistet. Das Projekt ist total toll, einige Mitarbeiterinnen waren bei den Geburten hin und wieder schon dabei und unterstützen einfach die werdenden Mamas. Die Frau ist skeptisch, denkt das Darüberreden macht den Schmerz nur noch schlimmer, aber die Schwester spricht ihr gut zu und schafft es, dass die Frau es zumindest versuchen möchte.
Dann müssen auch die Nähte noch entfernt werden und es ist das erste Mal, dass mir das hier schwerfällt. In meinem Kopf spielt sich nur ab, dass diese Narbe doch so schmerzhaft sein muss – nicht nur physisch, sondern vor allem psychisch, weil einen jeder Schmerz an das verlorene Kind erinnert.
Ich versuche, mich zusammenzureißen, atme tief durch und gebe mein bestes, um die Fäden möglichst schnell und sanft zu entfernen. Damit diese grauenhafte Prozedur so bald wie möglich ein Ende hat. Die Schwester gibt der Frau eine feste, Kraft spendende Umarmung und begleitet sie zum Zoe-Projekt, was direkt hier im Krankenhaus ist.
Ich atme nochmal tief durch und fokussiere mich auf die zahlreichen gesunden Babys, die hier täglich zur Welt kommen und auf den Gedanken, dass diese Frau irgendwann auch so ein tolles Wesen im Arm halten wird.
Am Ende des Arbeitstages muss ich mich von der tollen Schwester – Crystal – verabschieden. Das fällt mir echt schwer, ich habe sie in den 5 Tagen hier so liebgewonnen. Genau so möchte ich einfach später mal werden, ich bedanke mich für ihre Gutherzigkeit und für alles, was sie mir beigebracht hat. Ich habe ihr erzählt, dass ich vielleicht mal Kinderärztin werden möchte und sie verabschiedet mich mit den Worten, dass man sieht wie wichtig mir die Patientinnen sind und dass ich mal eine tolle Kinderärztin sein werde. Ich gebe ihr eine ganz feste Umarmung und fahre traurig aber glücklich nach Hause.

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Caro und ich fahren ins Shoppingcenter, was wir beide so sehr hassen, und haben natürlich gar keine Lust darauf. Aber wir kommen nicht leider drum herum. Wir wollen Einkaufen für ein Sonnenuntergangspicknick und ich brauche außerdem endlich neue Socken.
Ab rein in den H&M, Socken geholt und wieder raus. Gut, das ging immerhin schnell und jetzt muss ich wenigstens nicht mehr meine stinkigen Socken zwei Tage hintereinander tragen haha YEEEEYYYY!!
Caro kauft sich noch einen schönen Rock, das war Teil ihrer Bucketlist, weil sie keinen mit hierher gebracht hat.
Dann wird eingekauft – uff dieser Supermarkt: riesig, stickig und voll. Wir finden einige Dinge nicht, die wir für unsere Lasagne bräuchten, regeln das aber irgendwie anders – Sachen fürs Picknick eingepackt und nichts wie raus da.
Wir fahren zum Pipeline-Track, einem Wanderweg, den wir schonmal gemacht haben, und wollen uns da einen schönen Picknickplatz aussuchen.
Gesagt, getan.
Wir setzen uns hin und bemerken schnell unser Glück: Hier oben TOBT einfach ein Orkan. Das mag eine kleine Übertreibung sein, es fühlt sich in diesem Moment aber genau so an. Der Wind peitscht den Berg entlang, die Bäume rascheln und ächzen als würde ein Riese den Stamm packen und mit all seiner Kraft alles einmal durchschütteln. Unsere Vorstellung beinhaltete ein romantisches Picknick mit den warmen sanften Sonnenstrahlen der orangenen untergehenden Sonne im Gesicht und einer friedlichen Ruhe.
Die Realität hat mal wieder etwas ganz anderes für uns vorbereit und es ist wunderschön.
Sand und Steine im Essen, die Haare peitschen ins Gesicht, das Essen muss festgehalten werden, sodass es nicht wegfliegt und der Wind schreit uns ins Ohr. Immer wieder gibt es auch einen Kontrollblick zu den Schuhen und den Rucksäcken, sodass die sich nicht einfach heimlich verabschieden und im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Staub machen .

17.02.2023 ORKAN!!!


Unterhalten tun wir uns nicht so viel, der Wind ist übertönt die Stimmen sowieso und unsere Konzentration liegt auf dem Ziel, nicht weggeweht zu werden und unser Essen zu beschützen. Die kurzen wenigen windstillen Phasen nutzen wir aber doch dazu, uns ein paar Dinge von der Seele zu reden.
Der Abend zeigt uns mal wieder, dass die Erwartungen einfach oft sehr stark von der Wirklichkeit abweichen, dass das echte Leben dafür aber immer andere tolle Überraschungen für uns bereithält. An dem Gefühl von absoluter, purer Freiheit mangelt es hier oben nämlich keineswegs. Daran ändert auch das steinige Knirschen beim Essen einer eigentlich weichen Traube nichts 🙂
Die Sonne versinkt ungeachtet des Windes mal wieder zauberhaft im Meer und hinterlässt die Konturen von in orangenes Licht getauchten Bergen und dazu eine magische Stimmung.
Ich muss mal Pipi, was in der Natur ja eigentlich kein Problem ist. Bei den Windstärken hier auf dem Berg stellt mich das jedoch vor eine physikalisch, mathematisch schwierige Aufgabe. Nachdem der richtige Winkel ausgiebig geprüft und berechnet wurde, kann dann endlich auch die Blase entleert werden und Maite ist wieder glücklich haha.
Als wir uns vom den Orkanböen lange genug durchschütteln haben lassen und es auch schon echt dunkel ist, treten wir den Rückweg an. Das kleine Stückchen Wanderweg wird wieder zurückgelaufen – diese kleine Reise stellt sich als sehr amüsant heraus, weil man in dem dunklen Licht die Entfernungen der natürlichen Stufen und Felsen immer wieder falsch einschätzt und wunderschön elegante Tritte hinlegt. Caro kann nicht mehr aufhören zu lachen bis wir den Parkplatz erreichen und uns ein Uber holen.
Ab nach Hause und ein wunderschöner Tag neigt sich dem Ende zu.
Bussi Bussis,
~Maite

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