APC – DAY 6

Samstag.
Ich schlafe super schlecht und mache mir Gedanken, ob das an der Höhe liegt.
HÖR AUF VERDAMMT!!
Ich hab gestern auch echt ziemlich viel Abend gegessen, das mir immer noch schwer im Magen liegt.
Am Morgen wache ich auf und bin ziemlich nervös vor dem Tag. Habe aber trotzdem einigermaßen viel Schlaf bekommen.
Heute soll es dann auf 4040 Meter hochgehen. Allein psychisch irgendwie ein riesiger Schritt….
Noch nicht einmal die Hostelleute sind wach.
Ich mache mich erst wanderbereit und esse einen Porridge, als das Restaurant öffnet.
Ich habe fast gar keinen Hunger. Appetitlosigkeit als Zeichen der Höhenkrankheit!! JUNGE MAITE HÖR AUF. Es ist 6:30 Uhr in der Früh und du hast gestern so fett zu Abend gegessen.
Das Gefühl und diese Gedanken sind so neu für mich. Ihr kennt mich, ich bin absolut nicht der Typ Hypochonder. Keine Ahnung, warum ich mich hier plötzlich so reinsteigere. Vielleicht weil ich alleine bin und dieses „Sportgebiet“ mit der Höhe doch noch komplett neu für mich ist. Wer weiß. Naja – ich werde einfach weiterhin auf meinen Körper hören und sehen, wie es weitergeht.
Wir düsen los und ich rede mit Bisman über meine Gedanken. Er ist mega unterstützend und meint, ich soll mir nicht zu viel Stress machen und ihn aber einfach auf dem Laufenden halten. Ich liebe ihn wirklich so sehr, er hat ein solch entspannte Ausstrahlung und ist jetzt schon extrem meine Komfortperson.
Die ersten Meter sind wieder eher schleppend und mein Atem fühlt sich schwer an. Nach ein paar Minuten komme ich aber mal wieder in einen super Rhythmus und fühle mich direkt viel besser.
Ziemlich schnell machen wir zwei kleine Rasten. Mein Pulli muss weg, ich habe die unteren Strapse meines Rucksacks und das Eincremen vergessen. Als das alles erledigt ist, geht es motiviert weiter.
Ich führe ein extrem gutes Gespräch mit Bisman, sodass die Zeit wie im Flug verfliegt. Und: Auch wenn der Trail die meiste Zeit des Gesprächs flach ist oder nur minimal ansteigt – Reden beim Wandern ist definitiv ein Zeichen, dass mein Körper noch Power hat. YIPIE!
Und dieser unglaubliche AUSBLICK.
Wir machen eine kleine Pause an einer Wasserpumpe und füllen auf. Eine 6er-Gruppe Nepalesen läuft an uns vorbei.
Diese holen wir nach einer Weile ein und schon haben wir wieder neue Weggefährten für heute. Die wollen auch zum Tilicho-Lake. Und somit heute zum Basecamp.
Ach: Ich mache mir ja Gedanken, dass ich mich nicht lange genug akklimatisiere.
Die Nepalesen kommen aus Kathmandu, sind heute mit dem Jeep bis auf 3300 Meter gefahren und laufen jetzt bis auf 4040 Meter hoch. Das Ganze bei den meisten in Turnschuhen. HAHAH das ist doch nicht dein Ernst.
Vermutlich dann morgen direkt auf 5000 zum See.
Ich fühle mich etwas besser haha.
Mit der Gruppe kämpfe ich mich bis zur höchsten Stelle heute hoch. Es ist echt sehr steil.
Auch hier mache ich wieder sehr langsam mit wenig Pausen; die Nepalesen superschnell und mit ordentlichem Hecheln in den Pausen.
Nach einigen langsamen, anstrengenden Höhenmetern, haben wir das nächste Camp erreicht: 4060 Meter!! AHHHHHH.
Der erste 4000er dieser Wanderung. WOW!
Es fühlt sich unfassbar gut an.
Der Wind hier oben ist echt frisch. Ich habe immer noch ganz leichte Wellen von Kopfschmerzen, aber es ist definitiv nicht schlimmer geworden, was mich sehr positiv stimmt. Auch die Atmung beim Wandern ging supergut.
Ich trinke einen Liter Wasser und mache eine ordentliche Pause. Der Wind ist enorm kalt, aber die Sonne so bollerheiß.

10.06.2023 – 4060 METEEEER!!!

Wir räumen unsere Rucksäcke aus und können einen Teil hier lassen, weil wir hierhin wieder zurückkommen werden.
Ich packe echt verhältnismäßig viel raus und HASSE mich dafür, dass ich so viel gepackt habe. Für den Mardi Himal Trek hat es super gepasst, aber bei diesem Trek wäre jeder Gramm wichtig gewesen. Naja – man lernt.
Es reichen halt irgendwie selbst bei zwölf Tagen ein T-Shirt und ein Top, anstatt jeweils zwei. Stinken wie Sau tut es sowieso.
Beim Sachen aussortieren spricht mich ein Deutscher an, der an meinem englisch direkt gemerkt hat, dass ich aus Deutschland komme. EY GEMEINHEIT haha.
Er ist superlieb und gibt mir extreme Papa-Vibes. Er kommt gerade vom See zurück.
Wir unterhalten uns eine Weile und er hat auf mich einen total beruhigenden Effekt.
Etwas geerdeter geht es für mich dann motiviert weiter.
Immer wieder trifft es mich, dass ich gerade auf FREAKING 4000 Metern Höhe wandere und so tue, als wäre es das normalste auf der Welt. Und dass um mich herum trotzdem noch Berge meilenweit in die Höhe ragen.
Woran ich allerdings merke, wie hoch ich bin:
Die schneebedeckten Bergipfel, die immer nur hinter anderen näher gelegenen Bergen hervorgeragt haben, sind jetzt in ihrer vollen Pracht vor mir – und ich kann sie fast „von unten an“ betrachten.
WAHNSINN!
Diese Bilder prägen sich wirklich für immer auf die Festplatte ein.
Diese rieisigen Schneemonster, die ich bei klarem Himmel sogar aus Chitwan in meilenweiter Entfernung sehen konnte, erstrecken sich jetzt direkt über mir.
Was dieses Gefühl in mir auslöst, ist einfach einzigartig und ich werde es hoffentlich nie vergessen.
Ich kann sie gefühlt greifen und trotzdem sind sie noch SO WEIT weg.

10.06.2023 Die Schneeriesen

Mit einer anderen Gruppe an Nepalesen machen wir eine weitere Rast. Während dieser Rast, beschert mir ein riesiger Vogelschwarm ein Ereignis, das man so vielleicht nur ein einziges Mal in seinem Leben erleben darf. Sie fliegen gebündelt in die schneeweißen Wolken, wo man sie klar erkennen kann und fliegen dann wieder tiefer, wo sie mit der schneebedeckten, grauen Bergstruktur fast verschmelzen.
Ich bin so so überwältigt und dankbar für diesen Moment.
Stellt euch mal vor, hier ein Vogel zu sein. UNFASSBAR!

10.06.2023 Danke für dieses Geschenk ihr lieben Vöglein :‘)

Sonnencreme erneuert und weiter geht die Reise. Wir erreichen heute Höhenmeter von bis zu 4200 Metern und werden auf 4040 bleiben. Also geht es ab jetzt auch eine Weile nach unten.

Und plötzlich erlebe ich so stark wie bisher noch nie ein unbegreifliches Gefühl.
Das Gefühl, dass es einfach unmöglich ist, zu begreifen, dass dieser Ort hier gerade auf der Erde einfach so existiert. Und dass ich hier gerade einfach mal so durchspaziere.
Ich habe beinahe Tränen in den Augen. Mit geöffnetem Mund und kopfschüttelnd bahne ich mir meinen Weg durch diese fremde Welt.
Es ist unmöglich, das mit der Kamera einzufangen und Worte dafür zu finden, fällt mir vielleicht noch schwerer.
Wir laufen zwischen riesigen Felsen entlang, die sich bis nach oben in den Himmel erstrecken. In dem Tal links unter mir befinden sich Felsen, wie ich sie noch nie in meinem ganzen Leben gesehen habe. Sie erinnern mich an die Tröpfeltürme, die man am Strand mit nassem Sandmatsch baut. Eine Facette der Natur, wie ich sie noch nirgends vorher jemals gesehen habe.
Die Bergflanke rechts von mir ist aufgrund von Steinrutschen fast ganz flach.
Über mir befinden sich immer noch die Schneeriesen, die alles überwachen. Und in der Ferne kann man Bergketten über Bergketten über Bergketten sehen, die von hier so winzig aussehen und vor 4 Tagen wohl noch riesig über meinen Kopf gewachsen sind. Alles ist verschachtelt – 3D und in völliger Harmonie.
Ganz unten im Tal schlängelt sich noch ein Fluss entlang, dessen lautes Rauschen nicht mehr bis hier in die Höhe dringt.
Ich kann es einfach nicht begreifen. Leider reichen meine Schriftstellerinkünste nicht aus, um dieses Gefühl in irgendeiner Weise zu reproduzieren.
Alle Ängste über die Wanderung, die Höhe und jegliche andere Probleme sind komplett vergessen. Ich stehe einfach nur da und kann meinen Augen nicht trauen. Ich setze einen Fuß vor den anderen und fühle mich, als befände ich mich in einer Traumwelt.
Es geht ziemlich steil auf rutschendem Kies nach unten, also ist jetzt vollste Konzentration gefragt und so meistern wir zu viert Meter für Meter in dieser einzigartigen Welt.

10.06.2023 Steil und Kies: *krrshhtttt*
10.06.2023 Ein Paralleluniversum

Wir wandern und wandern und wandern und ich übe mal wieder mein nepalesisch jetzt gibt es ja mal wieder einen neuen Konversationspartner. Die meiste Zeit wandere ich mit Bisman und einem weiteren Nepalesen.
Bisman ist wahnsinnig verblüfft, weil wir 2 Tage nicht mehr die Zahlen bis hundert wiederholt haben, und ich trotzdem noch fast alles weiß. Ich bin auch etwas überrascht haha.
Ich werde gefragt, was zweihundert heißt.. Ich spreche es wohl so komisch und falsch aus, dass es sich anhört, als würde ich einfach hundert hundert sagen.
Darüber lachen die beiden mega lange und ich muss es mir noch ein paar Mal auf der Wanderung anhören. Sie meinen, ja klar so geht es auch. Uns kommen Nepalesen entgegen und jedes Namaste wird euphorischer. Der erste sagt es recht normal dann steigert der zweite die Überschwänglichkeit, dann wieder ich usw, bis alle an mir vorbei sind. Ein wahnsinnig kleiner Teil meines langen, aufregenden Tages, aber er macht mich unglaublich happy.
Der Wind wird langsam echt stark und meine Kopfschmerzen kommen zurück. Die Sonne knallt von vorne und der Wind bläst extrem von der Seite.
Also beeilen wir uns, wir sind nämlich tatsächlich fast am Basecamp angekommen – man kann es schon sehen.
Kurz vorher sehen wir eine Gruppe an Nepales:innen, die den Weg vor Steinlawinen schützen. Sie bauen am Hang diese Metallgestelle, in denen sich große Steine befinden.
Spannend für mich zu sehen: Zuerst wird das Drahtgestellt gebaut und dieses dann mit Steinen befüllt.

10.06.2023 Nepalesische Bergbewohner bei der Arbeit ^^

Über diese großen Steine, die auf dem Weg liegen, um später eingefüllt zu werden, balanciere ich recht ungelenk vor versammelter nepalesische Mannschaft. Najaa.
Und dann: haben wir es für heute wirklich geschafft. WAHNSINN! Ich kann es kaum glauben.
Wir suchen uns ein Hostel aus, ich ziehe meine Schuhe aus und bestelle mir erst einmal eine Nudelsuppe mit extra Knoblauch. Ehrlich gesagt keine Ahnung warum, aber jeder schwört auf Knoblauch als Prophylaxe für Probleme in der Höhe. Und mit Knoblauch kann man sowieso NIE was falsch machen, also immer her damit. 😉
Ich bin SO SO kaputt, aber die Suppe ist riesig und gibt mir wieder ordentlich Kraft.
Danach lege ich mich ein wenig im Essensraum auf die Kissenbank – ich habe noch keine Lust und Energie, raus vor die Tür in die Kälte und in den ersten Stock in mein Zimmer zu gehen.
Drei Fragezeichen, Augen schließen und ausruhen. Ich erlebe hier auf der Wanderung echt neue Arten von Erschöpfung, wie ich sie noch nie vorher gespürt habe.
Die Kopfschmerzen kommen zurück und es ist gefühlt schon anstrengend, nur die Augen offen zu halten.
Es ist schwer, zu beurteilen, ob es an der Höhe oder dem unglaublich langen Tag liegt. Ich habe heute Nacht auch nicht gut geschlafen.
Naja – mal schauen, wie es mir morgen geht und ob es auf 5.000 Meter hochgeht oder ob ich noch einen Tag länger hierbleibe.
Ich raffe mich auf und gehe in mein Zimmer. Bei den Hosteltreppen analysiere ich immer meinen Atem, ob der danach besonders schnell ist usw.
Einfach als Maßstab abgesehen von meinen Kopfschmerzen, wie es mir in der Höhe so geht. Zu einem wirklichen Ergebnis komme ich selten haha.
Ich ziehe meine stinkenden Wandersachen aus – und meine stinkenden Schlaf-/Gammelsachen an. Und schmeiße mich aufs Bett. Boah – ist das bequem. Ich bin fix und fertig, aber Bisman meint wieder, ich soll nicht schlafen. Also nur Ausruhen. Ich mummele mich dick ein und es ist traumhaft. So reduzieren sich auch meine Kopfschmerzen immens.
Dann schnappe ich mir mein Tablet, gehe in den Gemeinschaftsraum und schreibe an meinem Blog. Ich versinke total. So intensiv, dass ich immer mal wieder nach einer Weile mit etwas Schwindel aus meiner Bildschirmwelt erwache.
Bald ist es auch schon Abend und ich bespreche mit Bisman den nächsten Tag.
Wie gesagt bin ich mir nicht so sicher, wie die Nacht wird und wie es mir morgen Früh gehen wird. Aber wir beschließen, um 4 Uhr aufzustehen und dann final zu entscheiden.
Um bei dem See einen guten Ausblick zu haben, soll es nämlich früh morgens los.
Ich bestelle mir die gleiche Nudelsuppe nochmal, esse zu Abend und verabschiede mich auch schon ins Bett.
19:30 Uhr – die perfekte Uhrzeit; es wird schon dunkel, ich bin hundemüde, hab eh nichts mehr zu tun und wenn ich um 4 Uhr aufstehe, bekomme ich so meine 8 Stunden Schlaf. TIPTOP, was will man mehr?
Nachdem alle Sachen für morgen vorbereitet und die Zähne geputzt sind, geht es ab ins Bett und das kann ich wirklich mehr als gebrauchen.
Ich bin wirklich so ausgelaugt und schlafe nach einer Weile endlich ein.
Bussi Bussis,
~Maite

2 Kommentare bei „APC – DAY 6“

  1. Wowww hut ab!!! SO krass, dass du das geschafft hast! Es sieht wunderschön aus!! Lg aus der Vorlesung;)

    1. Ayyyy danki Mia♥️

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