Rückfahrt vom Trek

Mittwoch. Anstatt auszuschlafen, wache ich um 6:15 Uhr auf. Ja, das dauert jetzt sicher noch eine Weile, bis sich der Schlafrhythmus wieder einpendelt.
Zu meinem Reiseblog kann ich mich immer noch nicht aufraffen. Ich weiß gar nicht, ob ich über meine Emotionen und Gefühle in den letzten Tagen schreiben kann und will. Aber ja – irgendwie gehört es ja zu der Reise dazu.
Ich gehe nach unten und frühstücke noch ein letztes Mal mit den Spanier:innen. Die sind mir noch viel mehr ans Herz gewachsen.
Ich esse womöglich das letzte tibetische Brot dieser Reise – unten in der Stadt gibt es das wahrscheinlich nicht.
Es schmeckt mega gut.
Ich esse noch den Rest von Davids Frühstück auf, weil er es nicht mehr schafft, und bin perfekt gestärkt. Es folgt ein trauriger Abschied, weil sie noch weiterwandern. Ich konnte ihnen ihr Geld schon wieder zurückgeben – wir verabreden uns aber trotzdem zum Essen in Kathmandu.
Um 9 Uhr nehme ich mit Bisman und einem der Nepalesen den Bus nach Pokhara.
Mein Outfit lässt sich sehen. Das Vorher und Nachher Bild dieser Wanderung ist grandios.
Ich habe Adiletten, einen seit 10 Tagen ungewaschenen, stinkenden Pulli und eine seit 10 Tagen ungewaschene, stinkende Schlafanzughose an. Für mehr hat’s nicht gereicht und es könnte mir wirklich nicht egaler sein haha.

14.06.2023 ON FIRE!
24.06.2023 Tschüß wundervolle Welt<3

Diese Busfahrt wird wirklich der reinste Horror. Ich kann gar nicht beschreiben, wie auslaugend und anstrengend das ist.
Ich bin noch so überwältigt von allen Erfahrungen des unbeschreiblichen Treks, überfordert mit meinen Emotionen wegen des Unfalls und sowohl physisch als auch psychisch komplett fertig. Wir befinden uns ja auch immer noch auf 3.800 Metern Höhe.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass das durch die Unfallnachricht kommt, aber ich habe plötzlich so eine unfassbare Angst, in diesem Bus zu sitzen.
Es ist ganz verrückt – dieses grauenvolle Gefühl kommt so plötzlich aus dem Nichts.
Ich schaue mir den Bus an, die schlechten Straßen und wie weit es an der Seite neben mir 1,5 Meter runtergeht.
Ich spüre, wie der Bus hier ruckelig langbrettert und wie die Bremsen immer wieder quietschen.
Was, wenn der Busfahrer eine Kurve zu knapp nimmt und wir hier einfach an der Seite runterkippen.
Eine einzige winzige Sekunde die Kontrolle verlieren und schon kann es das ganze Leben verändern.
In mir drin breitet sich ein Gefühl von Panik aus, was von innen wächst und immer größer wird.
Immer wieder will ich schlafen, schaue dann aber aus dem Fenster, wo es rechts neben mir nach unten geht.
Nach einer Weile wird die Bergstraße etwas flacher und ich beruhige mich wieder. Es wird besser.
Da ich wohl irgendwo auf der Fahrt das Ladekabel für meine Kopfhörer verloren habe, habe ich auch keine Musik oder Ähnliches, was die ganze Fahrt zum noch Größeren Albtraum werden lässt.
Aber: Nicht alles ist natürlich schlecht. Bisman ist wie immer super lieb und erkundigt sich immer wieder, wie es mir geht. Und die Aussicht ist traumhaft schön; gerade am Anfang dieser Fahrt.

Naja und so hält man diese unzähligen, ruckeligen Stunden eben aus…
Die erste Panne: Wegen einer Steinrutsches der letzten Tage, stecken wir locker 30-60min an der gleichen Stelle fest. Immerhin dürfen wir aussteigen. Und der Ausblick zum Warten lässt sich auch sehen, also zu diesem Zeitpunkt alles noch halb so wild!

14.06.2023 Immerhin kein schlechter Ort für eine Pause 🙂

Es fängt leicht an zu regnen und ich genieße die Abkühlung, während ich mit Bibek und Bisman auf einer Steinmauer darauf warte, dass es endlich weitergeht.
Aus einem Jeep, der an uns vorbeifährt, weil die Gegenseite freie Bahn hat, schenkt mir ein Mädchen ein Winken und ein wunderschönes Lächeln, was auch mir ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
Irgendwann kann es dann weitergehen und ich verstehe bei der Weiterfahrt in den nächsten 30sek die Ursache des Wartens.
Es geht für uns mit einem rieisigen Ruckeblus durch einen Graben, durch den mittlerweile sogar ein kleiner Fluss fließt. Hahaha Willkommen in Nepal auf höchstem Niveau mal wieder. Immer, wenn es nicht mehr zu toppen ist, kommt das nächste Wunder.
(Anmerkung der Zukunftsmaite: ein anderer Hostelbewohner, den ich in Pokhara treffe, stand einen Tag zuvor ebenfalls an dieser Stelle und ihm wurde gesagt, dass die Brücke eingestürzt ist, die man ursprünglich benutzt hat, um diesen Fluss zu überqueren. Macht Sinn……)
Ich kann mal wieder nur schmunzelnd den Kopf schütteln und darüber nachdenken, wie unterschiedlich Welten sein können.
Weiter geht es und mein Durchhaltevermögen wird von Kilometer zu Kilometer, von Ruckel zu Ruckel geringer.
Als es fast ganz aufgebraucht ist, geht etwas an unserem Bus kaputt. :“““““‘)
Ich kann nicht mehr.
Wir machen eine „Rast“ an einer Werkstatt und die Aussicht sind 30-60min.

14.06.2023 Reparatur Nepali Style

Ich bin schon lange nicht mehr das Mädchen, mit der offenen, freundlichen, fröhlichen Ausstrahlung, das ich sonst immer von und sein möchte.
Meine Konversationen mit den beiden anderen beschränken sich auf ein knappes Minimum und ich versuche mein Bestes, nach außen freundlich zu bleiben.
Ich kaufe mir eine Cola und selbst die hilft mir diesmal nicht zurück ins Leben.
Ich kaufe mir noch Datenvolumen, um wenigstens Internet zu haben – die Kopfhörer sind ja immer noch leer.
Bisman und Bibek verstehen sich supergut und wollen herumspazieren.
Ich verneine dankend und gehe auf einen Viewpoint, den es direkt hier gibt. Eine Art Gerüst, auf dem einige Treppen nach oben zu einer Plattform führen.
Diese Treppenstufen sind zu viel für mich und ich bin fix und fertig, als ich oben ankomme. Meine Brust fühlt sich auch etwas eng an, das wird wohl noch von der Höhe kommen.
Der Ausblick ist eigentlich wunderschön, aber so richtig genießen kann ich ihn nicht.
Ich mache die drei ??? an und setze mich hin.
Irgendwann winken mich die beiden herunter, sodass ich mir denke – YEYYY weiter geht’s –
Nö noch 25min. Ernsthaft wozu bin ich dann runtergekommen? Genervt kämpfe ich mich wieder die Treppen hoch und verbringe dort die restliche Zeit, bis es irgendwann endlich weitergeht.
Fahren, fahren, fahren – durchhalten, durchhalten, durchhalten.
Ich versuche ständig, zu Schlafen – das klappt aber leider echt extrem schlecht und dieser Bus ist so ruckelig.
Irgendwann stehen wir mal wieder eine Weile – mich überrascht es schon gar nicht mehr.
Die Nepales:innen beginnen, einen Song zu singen.
Die rationale, lebensfrohe Maite denkt sich – Wie schön: Alle halten zusammen und versuchen, gemeinsam die Zeit zu überbrücken und zu etwas Bedeutsamen zu machen. Für alle Sänger:innen unter ihnen ist das bestimmt auch ein wahsinnig schöner, herzerwärmender Moment. So etwas würde es in Deutschland mit Sicherheit nicht geben.
In meinem Zustand mache ich der stereotypischen grimmigen Deutschen allerdings alle Ehre.
Ich bin SO genervt. Niemand von ihnen kann singen, es wird im 5 Sekunden-Takt die gleiche schlechte, monotone Strophe gesungen und ich habe extreme Kopfschmerzen. Ich will doch nur in Ruhe schlafen. :‘)
Mein Genervtsein erreicht den Höhepunkt, als alle schon aufhören zu singen, aber die eine nepalesische Frau mit der schlechtesten Stimme noch jahrzehntelang lautstark die gleichen zwei Sätze weitersingt.
Wir stehen immer noch – es ist mittlerweile schon lange dunkel. Bibek fragt mich, ob ich Hunger habe, was ich bejahe, weil ich denke, dass wir noch ewig fahren.
Er bringt mir von seinem kleinen Ausflug YumYum-Nudeln mit. Das isst man hier so als Snack. Ich bedanke mich, hebe sie allerdings für ein andernmal auf, weil ich erfahre, dass wir in ca. 30 Minuten da sind.
OMGGG. Da warte ich doch lieber auf ein ordentliches Restaurant-Essen hehe, ich glaub, das kann mein Körper gut gebrauchen.
Bibek steigt aus und 10 Minuten später sind auch wir endlich da.
Es ist wirklich allerhöchste Eisenbahn.
Ich war glaube ich noch nie so fertig mit meinem Leben. Wir spazieren ca. 20 Minuten zum Hostel und ich bin nicht mehr in der Lage, noch eine menschliche Konversation zu führen. Ich stapfe nur so vor mich hin und als Bisman mich wiederholt fragt, was los ist, bringe ich nur hervor, dass nichts los ist, aber ich einfach nicht mehr kann. Rückblickend hätte ich ein Taxi genommen, aber ich dachte, wir kommen bei dem Buspark an, wo ich sonst auch immer ankomme – von da aus wäre der Weg total easy gewesen.
Die Ankunft beim Hostel ist ein Segen für sich und ich bin heilfroh.
Wir beschließen, uns fürs Bezahlen morgen zu treffen und ich bin gerade sehr froh, dass ich mich endlich von Bisman verabschieden kann.
Er ist ein Zuckerstück, aber bei meinem Energielevel ist man einfach besser dran ohne einen Menschen, der einen ständig fragt, was los ist und nicht versteht, dass man einfach nur am Ende ist.
Ich kenne den Rezeptionisten, der gerade da ist, und freue mich mega, ihn zu sehen. Wir unterhalten uns kurz und er organisiert mir ganz schnell ein Zimmer, wofür ich ihm sehr dankbar bin.
Ich habe heute ein Einzelzimmer mit 6 Betten, weil niemand anderes da ist.
GENAU DAS BRAUCHE ICH!!
Ich schmeiße meine Sachen in jede Ecke, weil ich keine Rücksicht nehmen muss, und lege mich erstmal eine Weile auf den Boden. 10 Uhr abends.
TOT!
Einmal muss ich mich noch aufraffen, ich brauche definitiv Abendessen.
Ich frage an der Rezeption, wo das nächste, schnellste Restaurant ist und werde die Straße hochgeschickt. Die 3 Minuten fühlen sich an, wie ein Marathon.
Die Kellnerin ist aber superlieb und ich schaffe es, mich wieder etwas zu entspannen.
Ich bestelle ein Gericht mit Paneer – HELL YAAAA.
Hab ich vermisst.
Dann wird mit Mama telefoniert und das ist unglaublich toll. Ach es ist einfach so schön, einen Teil von Zuhause dabei zu haben. Gerade, wenn man so müde und kaputt ist, ist das zumindest eine kleine Vorstufe von: Einfach nach Hause kommen, gemeinsam Abendessen und an Mama und Papa ankuscheln.
Für heute und Nepal bin ich sehr zufrieden mit Mamas Stimme – das gemeinsame Abendessen und Ankuscheln gibt es dann in 2 Wochen. Dann kommt auch das Essen und es ist fantastisch.
Mittlerweile ist es 11 Uhr. Ich bezahle, mache der Kellnerin ein Kompliment, gebe Trinkgeld und verabschiede mich ins Hostel.
Nach einer anstrengenden Reise bin ich froh, mal wieder eine Nacht auf beinahe Normalnull zu verbringen haha.
Bussi Bussis,
~Maite

Ein Kommentar bei „Rückfahrt vom Trek“

  1. Duuuuuu sei froh, dass Papa nicht mitgesungen hat
    ❤️

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