Montag.
Die Nacht ist eher kurz, ich werde von Mücken umsummt und muss mich außerdem erstmal noch an das harte Bett gewöhnen.
Um 6:45 Uhr klingelt mein Wecker. Ich ziehe mir so gut es geht „Arbeitskleidung“ an – ich bin ja wirklich gar nicht auf sowas vorbereitet…
Dann bringt mich der Fahrer zum Haus, um mit den anderen zu frühstücken.
Ich fühle mich immernoch etwas komisch und setze mich an den „Erwachsenen-Tisch“. Das Frühstück schmeckt super gut, es gibt Omlettes und Reis.
Danach geht es zurück zum Waisenhaus. Wir werden in Gruppen eingeteilt.
Eine Gruppe ist dafür zuständig, den Kies in Eimer zu schaufeln und diese Eimer zur Zementmaschine zu tragen. Die zweite Gruppe macht das gleiche mit Sand. Die dritte Gruppe steht auf der anderen Seite der Zementmaschine und transportiert den Zement in Schubkarren auf das Feld. Die vierte Gruppe hat Pause. So wird alle 20 Minuten rotiert. Die Zementmaschine bedienen die Nepalesen – genauso wie das Glattmachen des hingekarrten Zements.
Zu jeder amerikanischen Gruppe (+Maite haha) gehören auch immer noch ein paar nepalesische Kinder, die alle super eifrig sind.
Es ist wahnsinnig cool, den gesamten Prozess des Zementierens zu sehen. In die Maschine kommen der Sand, der Kies, Wasser, Zement und noch etwas Fiberglas – dann wird alles gemischt, als pampige Masse aufs Feld gekippt und nach ein paar Stunden hat man schon ein großes Stück harten Basketballbetons.
Am Anfang sind alle super schüchtern und zurückhaltend. Wir gehen zu den Kindern hin und fragen, ob sie englisch können. Darauf folgt ein „nein“ und da wir alle kein einziges Wort nepalesisch sprechen ist es anfangs schwierig, warm zu werden.
Manche können dann doch etwas englisch und wir beginnen, Nepali zu lernen. Wörter und Sätze wie „Wie heißt du?“ oder „Wie alt bist du?“, die ich nach einer Minute schon wieder vergessen werde.
Einige von den Amerikanern haben Karten dabei, also gibt es ein paar Zaubertricks o.Ä.. So kommt alles tatsächlich langsam ins Laufen hehe. Egal wie, irgendeine Art von Kommunikation kommt immer irgednwie zustande.
Dann geht es auch schon ans Arbeiten, was auch ohne Reden super funktioniert. Die Eimer werden meist zu zweit getragen und das funktioniert auch, ohne die gleiche Sprache zu sprechen. 🙂
Mit der Zeit wird jeder etwas selbstbewusster und interagiert immer mehr.
Ich bin beeindruckt von der Geduld, die jeder einzelne Nepalese besitzt, der mir tausend Mal hintereinander das gleiche Wort vorspricht und ich es immer noch vergesse und/oder falsch ausspreche. Es fasziniert mich total, wie viel schwerer es ist, eine solche Sprache zu lernen, weil man wirklich überhaupt gar keinen Ansatzpunkt hat und alles so anders klingt.
Spanisch, italienisch, französisch, niederländisch und was sonst noch alles klingt ähnlich oder man kann es sich zumindest in Worten und Buchstaben vorstellen.
Nepalesisch ist einfach KOMPLETT anders und bevor ich hierhergekommen bin, wusste ich nichtmal, was hallo heißt…
Mittlerweile kann ich jemanden schon fragen, wie er heißt, wie alt er ist und mich selbst vorstellen. Das ist schon cool!
Ein Mitglied meines Teams – Drew, mit dem ich mich direkt super gut verstehe – machen eine kleine Competition draus, wer schneller und besser Nepalesisch lernt. Das pusht uns beide.
Die Rotationen sind echt anstrengend, weil es einfach super heiß ist – es macht aber so viel Spaß.
Und man sieht auf dem Feld, wie man Fortschritte macht!
Das Feld wird für den Zement fast dauerhaft mit einem Wasserschlauch bewässert – den kann man auch immer mal wieder ganz gut nutzen, um das Bandana oder auch das gesamte Gesicht samt Körper nass zu machen haha.
Ich habe heute ein weißes Shirt an und wusste von Anfang an, dass das ein Fehler ist. Jup das Shirt bleibt jetzt wohl eine Erinnerung hieran. Staub, Zement, Sand oder was einem so einfällt sind jetzt darauf verwigt. Ich bin gespannt, wie viel ich da ohne Waschmaschine so rausbekomme.
Lunchtimeeee. Pui das kann ich gut gebrauchen – es gibt wieder Dal Bhat, also Reis mit Linsen, Gemüse und Hühnchen, das aber optional ist. Dazu etwas Gurke und Karotten. Es schmeckt fantastisch und die Stärkung kann ich echt gut gebrauchen. Ich lerne ein neues Kartenspiel: BS, das wie Lügen in Deutschland ist und werde wärmer mit den amerikanischen Schüler:innen. Mittlerweile fühle ich mich wie ein Teil vom Team und merke, dass es immer und immer besser wird. Irgendwann finde ich heraus, dass die meisten hier sich auch nicht wirklich kennen, da sie aus verschiedenen Klassen und Stufen kommen.
Aber alle arbeiten motiviert, glücklich und vor allem gemeinsam!
Das schönste an dem ganzen Tag ist, zu sehen, wie UNGLAUBLICH glücklich alle Kinder sind, und welch toller Ort das hier einfach ist.
Bevor ich hier hergekommen bin, hatte ich einen total traurigen, einsamen Ort vor Augen. Ich dachte, die Kinder brauchen Liebe, Aufmerksamkeit und Zuneigung, weil sie das sonst zu wenig bekommen. Als ich gehört habe, dass es nur 14 Arbeiter:innen für 222 Kinder gibt, hab ich’s mir nochmal viel schlimmer vorgestellt.
Ich habe hier genau das Gegenteil erlebt. Ich habe fast nie ein trauriges Gesicht gesehen; es ist eine unglaublich starke, tolle Gemeinschaft und jeder hilft jedem. Die Kinder haben gerade Ferien und arbeiten alle fleißig mit, um sich selbst ein Basketballfeld zu bauen. Auch der Schulleiter ist super toll, voller Herzensgüte und Lebensfröhlichkeit.
Was auch immer an elterlicher Zuneigung fehlt, füllen die Kinder untereinander auf. Die Großen helfen den Kleinen und anders herum. Es ist so so toll – mir fehlen die Worte dafür.
Der Schulleiter hat selber eine Frau und 1 oder 2 Kinder, die mit hier im Waisenhaus leben. Das Wort Waisenhaus passt für mich hier gar nicht so gut, da ich mir darunter einfach etwas anderes vorstelle. Das hier ist eher eine tolle, farbenfrohe Anlage voller Glück und Leben. Dieser Ort versprüht für mich so viel Liebe und Freude. Alle Häuser sind bunt bemalt, es gibt einen Spielplatz und ein Fußballfeld. Alles wirkt warmherzig und offen
Noch einige Rotationen mehr und wir sind fertig für heute – das erste Drittel des Feldes ist fertig. YIPIIIEEEE. Nach einer kurzen Trinkpause geht es ans Ballspielen. Zuerst spielen wir in einer Runde Volleyball, was wirklich unglaublich viel Spaß macht. Alle sind extrem gut, vor allem die Nepalesen, und wir bekommen richtig gute Spielzüge zusammen.
Jeder hat Spaß, jeder ist motiviert dabei, alle haben ein riesiges Strahlen im Gesicht. Ich habe so so lange kein Volleyball mehr gespielt und ich LIEBE ES!
Danach wird auf dem großen Spielfeld Fußball gespielt und jeder, der möchte, kann mitspielen. Amerika plus Maite gegen Nepal. Unser Team wird irgendwann in „Courts for Kids“ umbenannt, weil ich mich benachteiligt fühle haha.
Ich bin ja wirklich schlecht im Fußballspielen, aber es macht unglaublich viel Spaß. Niemand wird verurteilt, alle geben ihr Bestes und auch hier sieht JEDER glücklich aus.
Wir spielen alle barfuß oder sockig, weil es sich in den dicken Wanderschuhen oder Gummistiefeln, die wir alle tragen eher schlecht Fußballspielen lässt.
Auch das fühlt sich toll an – auch wenn es allen Nepalesen nach dem Spiel super geht und uns Ausländer:innen hingegen wahnsinng die Füße wehtun. 😉
Die Nepalesen machen uns wirklich gnadenlos fertig ayayayyyyy… Wír schießen auch ein paar Tore, haben aber gar keine Chance. Sie spielen uns mit einer wahnsinnigen Leichtigkeit aus. Die üben wohl oft.
Es ist so so toll, zu sehen, dass man mit so wenig glücklich sein kann – das macht mich so unfassbar happy.
Wir sind hier gerade ungefähr 50 Kinder, Jugendliche und Erwachsene.
Es gibt einen Volleyball.
Es gibt einen Fußball.
Ich schaue mich um.
Und sehe nicht EIN EINZIGES Gesicht, in dem ich kein fettes Strahlen sehen kann.
Ich hatte heute nicht ein einziges Mal das Bedürfnis, mein Handy zu holen. Oder ein anderes Outfit zu tragen als schweißnasse Haare, ein dreckiges, staubiges Shirt und eine nasse, katastrophale aussehende Hose. Oh, nicht zu vergessen: Meine sexy Wanderschuhe – mit Staub und Zement bedeckt.
Ich bin erst seit einem Tag an diesem Ort und ich kann euch jetzt schon sagen, wie glücklich er mich macht und wie viel ich hier für mein Leben mitnehmen werde. Dafür bin ich so unglaublich dankbar.
Die anderen fahren zu ihrem Haus zurück – ich bleibe hier zum Duschen. Heute werde ich auch ausnahmsweise mal hier im Waisenhaus essen – das ist so abgemacht.
Ich finde das total cool und freue mich, zu sehen, wie die Kinder hier alle essen. Als der Leiter mir Bescheid gibt und ich zum Essen komme, sind alle Kinder schon fertig gegessen und sind schon wieder weg. Der Leiter Ram Babu hat mir eine Portion übriggelassen. Oh – das habe ich ganz anders erwartet…
Er sitzt mit seiner Frau und seiner Tochter im Essensraum – auch einige andere Staff-member sind dabei. Ich bin aber die einzige, die isst. Das fühlt sich soooo KACKE an..
Ich unterhalte mich total gut mit Ram, das Gespräch ist echt erleuchtend und spannend, aber ich fühle mich so schlecht, dass ich die einzige bin, die isst.
Abgesehen davon gibt es heute Nudeln, die wirklich SO GUT schmecken. Nach den endlosen letzten Reistagen freue ich mich über eine Abwechslung und ayyyyy ist das lecker.
Ich akzeptiere auch einfach die Situation und beschließe, morgen wieder zu den anderen zu fahren haha.
Danach bedanke ich mich 1000 Mal und verabschiede mich ins Bett. Ich schreibe Reiseblog und beantworte noch ein paar Nachrichten. Dann geht es unfassbar glücklich und voller Vorfreude auf den nächsten Tag ins Bett.
Bussi Bussis,
~Maite
P.S.: Da ich mein Handy nie dabei habe, sind alle Fotos und Videos auf meiner Kamera, deswegen gibt es die nächsten Einträge erstmal ohne Bilder. Vielleicht habe ich irgendwann die Möglichkeit, die Bilder runterzuziehen, dann bekommt ihr eine große Ladung hihi.
Hey Maitiiiie,
Ich liebe es deinen Blog zu lesen. Leider schaffe ich es nicht immer, aktuell zu sein, aber diesen Tag fand ich so schön, dass ich es dir einfach mal schreiben wollte.
Vielen liebe Grüße aus Hamburg,
Ralfiii