Samstag.
Heute ist die Eröffnungszeremonie des Basketballfeldes und ich freue mich echt schon sehr darauf. Erst soll es ein paar Reden geben und dann wird ein Turnier gespielt.
Schon auf dem Weg zum Auto, dass mich zum Frühstück bringt, sehen ich, wie die Kinder versuchen, mit Ballons in den Korb zu treffen – einer von ihnen sitzt oben auf dem Brett des Korbes. Ich habe ein großes Grinsen im Gesicht, wenn ich mir vorstelle, wie alle in Zukunft auf diesem Feld spielen werden. Ich liebe es so sehr, dass ich ein Teil davon war.
Frühstück: Alle Menschen habe formale Kleidung an, um angemessen für die Eröffnungszeremonie zu sein. Holy ist das komisch, alle Menschen in ihren normalen Klamotten zu sehe. Völlig andere Persönlichkeiten.
Ich fühle mich auch ganz anders in meinem Jeanskleidchen. Dieses Kleid ist so heiß, aber es ist das einzige „nepal-konservativ-konforme“ Kleid, das ich habe. Es geht über Knie und Schultern.
Ayayay ich hab wirklich nicht so smart gepackt, irgendwie hat man dann doch nur so halbweit gedacht. Für Kapstadt war ich besser bepackt haha. Naja ich kaufe mir vielleicht einfach ein luftiges Kleid, das alles bedeckt.
Ab zurück zum Waisenhaus; wowiii alles ist so toll dekoriert mit Bändern, Luftballons und Schildern. Der Platz ist mit Stühlen und Hockern vollgestellt. Krass, sich vorzustellen, dass hier vor 5 Tagen noch nichts war. Weil wir alle hier hergekommen sind, zusammengehalten und zusammengearbeitet haben wird hier jetzt für Jahrzehnte hinweg mit unterschiedlichen Schulleiter:innen, zahlreichen Generationen an Kindern dieser Platz stehen. Der ist jetzt einfach eine Konstante – egal ob traurig oder glücklich; egal ob arm oder reich; egal ob deutsch, amerikanisch, nepalesisch oder von sonst wo her.
Ich bin so so glücklich, ein Teil davon gewesen zu sein. Und dass wir jetzt gemeinsam diese Eröffnungszeremonie feiern können, bedeutet mir unglaublich viel.
Ich setze mich vorne zu den zwei Nepalesen, die DJ spielen und unterhalte mich erstmal mit denen. Das macht so Spaß – bis irgendwann die Zeremonie losgeht.
Die Zermonie ist so so toll. Es werden unterschiedliche Reden gehalten; von Nepales:innen und auch von Drew und Cal. Die beiden finden wunderschöne Worte über Familie und Freundschaft über Ländergrenzen hinweg und viele weitere Worte, die mich so sehr berühren. Bei Drews Rede schießen mir die ersten Tränen dieses Ortes in die Augen. Vllt weil er meine erste richtige Wohlfühlperson war. Ich weiß jetzt schon, dass dieser Tag nicht gut und glücklich ausgehen wird für mich.
Ich will einfach nicht, dass es vorbei ist.
Der Schulleiter dolmetscht die Reden in Nepali und auch das ist ein unglaublich toller Moment für mich. Jeder wird einfach angesprochen, an jeden und jede Kleinigkeit wird gedacht; alle sollen gleichmäßig teilhaben dürfen an diesem schönen Ereignis.
Die Zeremonie besteht außerdem aus einigen nepalesischen Tänzen und Gesang aller Art, von unterschiedlichen Generationen – es ist wirklich wirklich toll, dabei zuzuschauen. Aber es ist so unglaublich HEIß. Wenn man nicht arbeitet, hat man nichtmal ne Ausrede für das immense Schwitzen, aber es ist fast noch unerträglicher.
Die amerikanische Schulklasse singt zwischendurch ihr Schullied und ich bin kurz traurig, dass wir nicht so nen tollen Zusammenhalt an unseren deutschen Schulen haben.
Ich find’s toll, dass diese Zermonie – genauso wie der New Years Eve – so kulturübergreifend sind – jeder zeigt etwas kleines von sich und alle haben Spaß daran.
Irgendwann sind wir dann auch alle wieder dran mit unserem Cupidshuffle, den ich jetzt schon flawlessly beherrsche. 😉
Wie letztes Mal ist er wieder etwas zu lang und die Kinder steigen leider auch nicht mit ein. Also wird beschlossen, eine weitere Runde zu machen mit allen gemeinsam. Wir zeigen ihnen die Schritte und es macht echt wieder Spaß.
Weitere kulturelle Tänze und bei der Hitze wünsche ich mir dann doch bald, dass es mal vorbei ist. Das ist es dann auch, es wird Musik angemacht und alle tanzen gemeinsam vorne auf der „Bühne“. Das ist so ein toller Moment – alle genießen einfach nur die Musik und tanzen miteinander. Ich hole auch meinen Lieblingsbusfahrer dazu, der mir versprochen hat mit mir zu tanzen – Shyam: Auch so eine glückliche, liebe, Energie ausstrahlende Konstante meines Trips. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich ihn sehe.
Dann ist der feierliche Teil der Einweihung beendet und es geht ans Spielen. Die Basketbälle werden ausgepackt; es gibt aber nur 5 Stück und es wird immer viel gewartet haha.
Irgendwann habe ich keine Lust mehr zu warten, organisiere einen Volleyball und nutze den Platz einfach anders.
Da steifen einige ein und es macht echt Spaß.
Dann gibt es eine Art Basketball-Camp: Die Basketballer unter den Amerikanern leiten jeweils eine Gruppe und bringen die Basics von Basketball bei.
Ich bin in Drews Gruppe und stelle mich wirklich SO SCHLECHT an haha. Er lacht mich bei jeder einzelnen Übung aus – KEIN GUTER, AUFMUNTERNDER COACH.
Mit allen Kindern in der Gruppe haben wir aber unglaublich viel Spaß.
Ich werde nicht wirklich besser, aber ich lache viel und das ist doch die Hauptsache.
Trainingscamp beendet und es gibt Mittagessen.
Schmeckt sehr gut – ich überesse mich aber total. Canyon nimmt sich WIE JEDEN TAG viel zu viel Essen und meint, wenn ich noch mitesse, bekomme ich Gummibärchen. Man das ist wirklich verlockend, deswegen esse ich noch ein paar Löffel von seinem Teller und bekomme Gummibärchen. Yipiiieeeee.
Die Löffel mehr waren aber ein riesiger Fehler. Das Basketballturnier geht los und ich hab das Gefühl, ich müsste mich übergeben. Es ist wirklich so unglaublich heiß, das Rennen beim Spielen und das Essen in meinem Magen sind wirklich gar keine gute Kombi!!
Das Spielen macht aber total viel Spaß. Es gibt nicht wirklich Regeln – alles ist ziemlich durcheinander, aber jeder hat ein Lächeln im Gesicht.
Ich spiele auch grandios schlecht und mein Team verliert beide Spiele. Najaaaa macht nichts.
Viel lachen tue ich definitiv.
Nach dem Basketballturnier gibt es noch ein großes Volleyball Match, denn der Platz hat auch noch zwei Stangen und ein Volleyball Netz bekommen.
Wow – die Nepales:innen sind alle schon so gut im Volleyball und jetzt haben sie auch noch ein Netz, um das zu zeigen; und zu perfektionieren!!
Das macht mich Happy.
Beim Volleyball kann ich auch mal ein wenig mehr zeigen, was ich drauf habe und es macht mir ne Riesen Freude.
Bis zu dem Punkt, an dem sich beide Teams etwas zu sehr reinsteigern und ich mir denk, komm Leute – ist nur ein Spiel.
Wir gewinnen beide Spiele und ich freu mich hehe.
Wir wollen noch ein Spiel spielen, aber Juan Carlos sagt, dass mir bald gehen müssen. Ayyyyyy was :'(((
Der Abschied beginnt und bereits jetzt schießen mir die Tränen in die Augen. Ich unterdrücke sie und das klappt auch ganz gut, weil es niemand geht und mich niemand fragt, ob alles okey ist.
Es werden ganz viele Abschiedsbilder gemacht und viel gedrückt – ich bin eher teilnahmslos weil ich immernoch fast weine haha.
Tschüß sagen tue ich aber natürlich trotzdem und es fällt mir nicht leicht.
Dann springe ich schnell unter die Dusche, damit ich mit den anderen mitfahren kann.
Als ich wieder nach draußen komme, schenken mir die Waisenkinder ein Chungy. Das ist ein Ball aus zusammengeknoteten Gummibändern, mit dem wir auch die ganze Zeit gespielt haben. Und ich kann nicht mehr. Diese Kinder haben so so wenig an materiellen Dingen und schenken mir einen von ihren Spielbällen. Das macht mich so glücklich und traurig zugleich Wahnsinn… Von der Welt hier kann man echt so so viel lernen!
Ich hab meine Tränen überwunden – denke ich und steige ins Auto. Dann hör ich Cal hinten schluchzen und seinen Emotionen freien Lauf lassen. Ich find’s mega mutig und stark. Dann schaue ich auch noch nach rechts zu Drew, der neben mir sitzt und sehe seine wässrigen Augen.
Ab da ist es endgültig vorbei. Ich schaue aus dem Fenster und lasse meinen traurigen Gedanken freien Lauf. Es prasselt alles auf mich rein: Das Vermissen von Zuhause – der Abschied von den Leuten aus Südafrika, über den ich bisher noch gar nicht nachgedacht habe – der Abschied von den Kindern hier – der kommende Abschied von den wundervollen Menschen, die ich durch das Projekt kennengelernt habe. Es ist einfach zu viel. Im Auto kullern erstmal nur die Tränen, aber als wir aussteigen und meine Gedanken einmal ins Rollen gekommen sind, gibt es kein Zurück mehr. Es gibt nicht wirklich einen Rückzugsort, also stehe ich auf der Terrasse mit Blick aufs Reisfeld, schluchze und lasse meinen Tränen freien Lauf. Es tut so weh und gleichzeitig so gut.
Ich weiß, dass ich gerade nur deswegen traurig sein kann, weil ich so viele wundertolle Erfahrungen machen durfte und es einfach weh tut, dass das jetzt vorbei sein wird.
Aber es tut so so weh und ich bin irgendwie so tief in mir drin traurig wie lange nicht mehr.
Nach ein paar Minuten kommt Canyon zu mir und fragt mich die berühmten Worte, ob alles okey ist.
Aus der vielen Tränen wird jetzt ein lautes Schluchzen und ich kriege nur wenig Wörter raus…
Er bleibt einfach nur neben mir stehen, weint auch und sagt nichts – aber es fühlt sich trotzdem gut an, dass man nicht alleine ist.
Irgendwann fange ich mich wieder ein bisschen; wir reden über Glücklichsein und Traurigsein, über die Rückkehr ins alte Leben, über beschissene Leute um einen herum und vieles mehr. Zwischendurch umarmen wir uns einfach nur eine Weile.
Ich glaube, beiden tut das gut – man ist einfach ma ganz ehrlich und akzeptiert die traurigen Sachen im Leben.
Auch wenn währenddessen meine Adilette und Canyons Bandana ins nasse, matschige Reisfeld fallen.
Irgendwann unterbricht Juan Carlos kurz und gibt uns einen Bogen mit Fragen für die heutige Reflexion.
Die ist länger als sonst – man kann sich vom Bogen drei Fragen aussuchen und dazu Dinge aufschreiben. Wir treffen uns in 1,5h zum austauschen und teilen.
Ich habe mich wieder gefangen und gehe nach draußen, um mir einen ruhigen Platz zum Aufschreiben zu suchen.
Da sitz Drew mit der gleichen Idee draußen auf der Treppe und ich unterhalte mich noch etwas mit ihm. Wieder kommen mir die Tränen, aber auch das Gespräch ist schön.
Wir werden unterbrochen, weil ein Gruppenbild gemacht werden soll.
Danach fange ich mal an, meine Fragen zu beantworten.
Als erstes beantworte ich „What have I learnt about myself“
Mir fällt es unglaublich schwer, auf Papier zu bringen, was ich fühle und denke.
Ich brauche ganz lange, schreibe dann Sätze, mit denen ich mich nicht so richtig identifizieren kann. Aber es tut trotzdem gut, Mal ein wenig seine Gedanken zu wälzen.
Irgendwann kommt Caleb nach draußen und ich rede mit ihm nochmal. Auch ein so tolles Gespräch. Warte irgendwas fehlt doch noch ? TRÄNEEEEN.
Es ist so schön, weil mir meine Tränen 0% unangenehm sind, ich teile einfach meine Gefühle und Gedanken und weiß, dass das von allen akzeptiert und warmherzig aufgenommen wird.
Das Reden hilft mir fast mehr als das Schreiben. Bestimmt spielt es auch eine Rolle, dass alles auf Englisch ist – so ist es noch ein bisschen schwieriger, seine Gefühle in Worte zu fassen.
Dann schreibe ich noch meine favorite memories of the trip auf.
Da gibt es einige und es ist toll, sich die nochmal durch den Kopf schweifen zu lassen.
Bald kommt auch schon Juan Carlos und meint, die Besprechung geht los.
Oh jeee ich bin noch lange nicht fertig – das macht ja aber auch nichts.
Jeder soll sich eine Frage raussuchen und seine Gedanken dazu teilen. Es ist total schön, wie jeder und jede etwas anderes beschreibt, denkt, reflektiert und teilt. Einige Dinge überschneiden sich; andere auch nicht. Aber jeder heilt in diesem Moment ein bisschen seine Seele, seine traurigen Gedanken und seine Angst davor, hier weg zu gehen.
Ich lese meine Frage mehr oder weniger nur vor mit ein paar zusätzlichen Anmerkungen.
Diesmal laufen keine Tränen, aber der Moment ist trotzdem sehr besonders für mich.
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Nach all dem Reden, Reflektieren und Aufschreiben geht es mir viel besser und ich fahre zum letzten Mal zurück zum Waisenhaus, um mich ein letztes Mal in mein Bettchen dort zu legen.
Ich bin echt gut drauf und packe mit viel Geduld und Ruhe noch meinen Rucksack für morgen – viel Tetris mal wieder.
Dann fallen mir zum letzten Mal an diesem wunderwunderschönen, magischen Ort die Augen zu.
Bussi Bussis,
~Maite
So wunderbar! Fühl dich gedrückt!