Letzter gemeinsamer Tag, Abschied und viele Tränen

Montag.
Ich wache in der Gastfamilie auf und habe nicht wirklich viel geschlafen. Das Bett war so unglaublich hart und meine Stauballergie hat auch ziemlich gekickt… Da muss ich mir vielleicht noch etwas überlegen – an die Betthärte kann man sich sicherlich gewöhnen, aber an den Staub wohl eher nicht so. Mal schauen.
Ich treffe mich aber mit den Amerikaner:innen zum Frühstück bei ihrem Hotel und deswegen ist die Interaktion mit meiner Gastfamilie nur ganz kurz. Ich fühle mich ziemlich schlecht, weil ich auch gestern Abend erst so spät gekommen bin, aber gerade ist es mir einfach wichtiger, noch jede freie Minute mit den Menschen zu verbringen, die mich glücklich machen und bei denen ich mich wohlfühle, weil ich die dann Ewigkeiten nicht mehr sehen werde.
Die Gastmama ist aber total lieb und hilft mir, ein Motorrad zum Transport zu rufen, was nämlich doch komplizierter ist als gedacht.
Irgendwann klappt es dann und ich sitze mit Tränen in den Augen hinten auf dem Roller. Meine Haare fühlen sich unglaublich komisch an, als der Wind da durch bläst und ich fühle mich wie eine Fremde. Ich möchte nicht, dass die Amerikaner:innen abreisen und habe wahnsinnige Angst davor, wer ich bin, wenn sie abreisen.
Die alte Maite hätte das bestimmt gut gemeistert, aber die Maite, die hier gerade auf dem Roller sitzt, fühlt sich komisch und fremd.
Naja – ich freue mich, als ich die anderen beim Frühstück sehe und setze mich zur Buzzcut-Crew zum Essen dazu. Ich esse ein Müsli mit Früchten und mein Körper freut sich sehr darüber haha.
Ich rede und lache viel mit den anderen über unsere Frisuren und wie komisch sich das alles anfühlt und und und.
Da fühlt sich das alles gleich nur noch halb so wild an.
Der Plan ist heute, zum Monkey Tempel zu gehen. Ja, ich war da zwar schonmal, aber um den Tag mit den anderen verbringen zu können, gehe ich da gerne nochmal hin. Auf dem Weg wird manchmak kurz angehalten, um Souvenirs zu kaufen etc. – ich kaufe nichts, schaue nur in jedes Schaufenster; erschrecke mich kurz und komme nicht auf meine Haare klar. Ich fühle mich unsicher, klein und traurig und frage mich warum. So schlimm sind die Haare gar nicht und ich frage mich, wie viel die überhaupt reinspielen oder ob es wirklich nur der Abschied von den Amis ist. Vielleicht sind die Haare auch ein Symbol für die tolle Zeit und spielen deswegen mit rein.
Naja – ich bin den ganzen Tag eher emotional instabil und immer wieder den Tränen nahe. Dann quatsche ich aber mit einem von den anderen und mir geht es wieder supergut. Was ein Auf und Ab. Der Monkey Tempel ist eine andere Welt – es ist so leer und man kann einfach atmen.
Wir haben diesmal einen Guide dabei, der uns was erzählt, aber ich kann nicht so richtig folgen und schweife mit den Gedanken ab.
Die Treppen zum Tempel hoch sind mal wieder so anstrengend – da fängt man echt an, an sich zu zweifeln haha. Es sind 365 Treppen, eine für jeden Tag im Jahr; wenn man dort hochläuft, kann man seine Sünden hinter sich lassen. So viel habe ich vom Guide noch mitbekommen.
Oben ist es aber trotzdem meiner Meinung nach durch die Händler:innen total entweiht. Überall wird nur über den Preis verhandelt, überall wird man angesprochen, was man kaufen möchte.
Die meisten von den Amis sind tatsächlich ganz gut im verhandeln, mir ist es aber so unangenehm, dabei zu stehen.
Ich weiß, dass die den Preis für Touris viel zu hoch ansetzen, trotzdem fühlt sich das immer soo falsch an.
Naja – ich kaufe eh nichts.
Ich laufe nur mit den Amis mit und schaue mir die Sachen an, die sie sich gekauft haben für sich und ihre Liebsten.
Da sind schon coole Sachen dabei, aber ich habe ja noch 3 Monate 😉
Wir laufen an einem Typen vorbei, der ein TikTok macht – das ist hier mega stark verbreitet – und ich steige in seinen Tanz mit ein. Das macht echt Spaß und er freut sich drüber. Eigentlich eine schöne Sache, ich gehe schon weiter, da rennt er mir hinterher und zeigt mir das Video und wie cool es ist, dass wir den gleichen Tanzschritt machen. Ich sehe mich mit kurzen Haaren und freue mich nicht soo darüber. Das sieht aus wie eine fremde Person.
Das zieht mich irgendwie ziemlich runter und wir gehen weiter.
Dann kommt ein supersuperlieber Text von Annick, dass ich stolz sein kann und mit meinem riesigen Strahlen die Haare tragen soll. Da kommen mir wirklich die Tränen und ich werde von Canyons Lachen gerettet.
Der Tag geht weiter und es geht zurück zum Hotel.
Dort sind wir eine Weile, bis es zum Mittagessen geht.
Diese Zeit genieße ich so unglaublich, ich bin irgendwie mega müde, aber wir gammeln alle einfach nur gemeinsam auf der Couch, weil niemand mehr in die Zimmer darf, machen dumme Sachen wie Bottleflips, Leute abwerfen oder Karten spielen und reden ganz ganz viel.
Drew und Tate kuscheln und machen einen Mittagsschlaf haha.
Es ist alles einfach so perfekt und ungezwungen :-))
Dann geht es zum Mittagessen und die anderen kommen aus dem Tattoo- und Piercing Studio wieder.
Das Abrasieren der Jungs (+Maite ;)) gestern hat ne Welle losgetreten und die anderen wollten jetzt auch noch was verrücktes machen, deswegen gibt es 3 neue Tattoos und eiiiinige Piercings!
Ist alles ganz nett! und n Teil von mir wünscht sich dass ich mir statt meinen Haaren einfach noch n Piercing hätte stechen lassen ahahaha.
Zum Essen gibt es Mo-Mos, über die ich mich SOOOO SEHR freue!! Kein Reis.
Die schmecken auch echt gut hehe.
Danach geht es wieder zurück zum Hotel, ähnliche Quality Time und ich liebs immernoch.
Anschließend fahren wir mit dem Van noch zu einem anderen Tempel. Die meisten Amis haben da gar keinen Bock drauf – ich finde es eigentlich nicht so schlimm. Aber als wir ankommen, sieht der wirklich eins zu eins aus wie der andere Tempel – nur der Eintritt ist teurer. Na toll haha.
Allerdings kann man zweimal in den Tempel reingehen, was ich dann doch wieder echt toll finde! Hier spürt man mal die religiöse Energie und diese magische Ruhe eines Tempels, wenn ihr wisst, was ich meine.
Alles ist still und dunkel, gleichzeitig scheinen die Wände aber in gold und tausenden von Farben.
Unten ist eine Gebetsrolle, die sich ziemlich schnell dreht und man kann drum herumgehen und sich dabei an der drehenden Rolle festhalten.
Die Leute vor uns machen das so – bzw. so sieht es zumindest aus. Caleb und ich reihen uns in den Kreis ein und halten uns nichtsahnend an der Stange fest.
Auf einmal werde ich ultra beschleunigt und laufe fast dem Typen vor mir in die Hacken, der mich sehr komisch anschaut.
Alteeer, diese Geschwindigkeit kam unerwartet. Caleb ging es genauso – wir schauen uns verwirrt an und lachen hahaha. Man lässt die Stange wohl eher so unter seinen Händen durchgleiten. Wir lachen uns gemeinsam an und der Moment ist irgendwie echt wertvoll für mich, auch wenn er nur klein war 🙂
Ansonsten läuft alles ziemlich ähnlich ab, wie beim anderen Tempel – einige Souvenirs werden gekauft.
Irgendwann kann man noch einen Tempel hochgehen und dort oben sind ganz viele Kerzen. Den Ort finde ich echt schön und ich beschließe, eine Kerze anzuzünden.
Während ich das tue, fällt mir auf, dass das bei uns zuhause mittlerweile echt ein großes Symbol in der Familie ist und das finde ich irgendwie echt schön. So habe ich hier gerade ein Stück zuhause dabei.
Also zünde ich die Kerze zusätzlich zu den tollen Menschen, für die ich sie normalerweise anzünde, diesmal auch für meine Freunde und Familie zuhause an. Das ist ein toller Moment – ich stehe hier alleine im Raum, bin aber ganz und gar nicht mehr alleine hihi.
Danach geht es wieder raus zu den Amis und in den Nepal-Trubel hehe.
Bald haben wir auch alles einmal umrundet und es geht wieder zurück.
Der Abschied rückt immer näher.
Wir sitzen noch etwas in der Hotellobby, kaufen noch ein paar Snacks und blödeln rum.
Dann werden wir auf die Terasse des Hotels nach oben zusammengerufen und versammeln uns alle dort.
Die allerletzte Reflexion beginnt und die besteht darin, dass jeder 2 Minuten in der Mitte sitzen wird und Leute einfach nur Komplimente in die Mitte ballern.
Ich weiß jetzt schon, dass das zu viel für mich sein wird, aber diese Idee ist so unglaublich toll. Allgemein bin ich so fasziniert davon, wie unglaublich toll, bereichernd und seelenheilend Juan Carlos diesen Trip gestaltet hat. Er hat mit Kleinigkeiten diesen Schultrip zu einer riesigen emotionalen Reise gemacht und ich bin davon so beeindruckt und inspiriert.
Bevor es losgeht sagt er, dass wir während des Arbeitens ganz viele Eimer mit Kies und Sand gefüllt haben und es jetzt an der Zeit ist, unseren eigenen Eimer zu füllen – und zwar mit positiven und tollen Dingen.
Was eine schöne Metapher.
Die Runde beginnt und es ist wunderschön, bei allem zuzuhören. Ich verpasse immer den Moment, etwas zu sagen, weil alle einfach reinrufen, aber ich will auch niemandem das Wort abschneiden usw., deswegen komme ich oft nicht zu Wort haha.
Ich beschließe, nach und nach jedem einfach eine Nachricht zu schreiben, mit der Sache, die ich loswerden wollte, oder es ihnen einfach danach noch zu sagen.
Nach 3 oder 4 Personen werde ich dann auch schon ausgewählt, um mich in die Mitte zu setzen und ich gehe schon mit einem mulmigen Gefühl rein.
Dann geht es los und schon nach dem ersten Satz habe ich Tränen in den Augen. Mit jeder tollen Sache wird mein Schluchzen lauter und ich bin so so dankbar für alle diese Menschen. Ich kann gar nicht beschreiben, wie intensiv diese Zeit war und wieviel ich gelernt habe. Wie viele Menschen hier mich einfach genau so akzeptiert haben, wie ich bin und mich noch dazu unglaublich inspiriert haben, ist nicht in Worte zu fassen.
Und jetzt das hier noch als Abschluss – WAHNSINN. Ich werde das alles hier nie vergessen und es tut jetzt schon so so weh, loszulassen.
Die 2 Minuten sind um und es werden immer noch Komplimente genannt, weil die Leute meinten, die Zeit war zu kurz. Ich bedanke mich und gehe schluchzend zurück an meinen Platz. Was eine immense Gefühlswelt in mir drin gerade.
Ich gebe noch einige Komplimente und lache auch viel, weil Eoin neben mir sitzt. Dieser Mensch ey ich kann nicht mehr.
Um halb neun geht es dann zum Essen und ich stehe irgendwie neben mir, versuche aber die letzten Minuten zu genießen.
Ich schreibe meiner Gastmama noch, dass ich etwas später komme, weil es schon halb neun ist.
Niemand hat mehr Lust auf Dal Bhat, aber ein letztes Mal für die Amis wird das gegessen. Sie rechnen aus, dass ich das vllt noch so 180 Mal essen werde und lachen mich alle gemeinsam aus haha. Autsch.
Das Essen ist viel schneller vorbei, als es mir lieb ist. Zwischendurch bin ich einmal mit Sara und Sally auf Toilette und die beiden geben mir einen Pep-Talk und jetzt schon nen Riesendrücker – das ist echt schön.
Naja; dann geht es jedenfalls zum Hotel und ich bin so aufgeregt.
Ich gehe rein und dann beginnt der Abschied. Ich bin eigentlich ziemlich gefasst und denke mir hmm, vielleicht hat die Komplimente Runde vorher schon gut meine Tränen verbraucht, sodass ich mich jetzt zusammenreißen kann. Dann dringt das erste „I’m gonna miss you“ an meine Ohren und wie eine Kanone kommt das Schluchzen aus mir herausgeschossen.
Ich bin nicht mehr zu bremsen, ich sage jedem noch einmal, was ich ihm sagen möchte – ununterbrochen von ganz vielen Tränen. Die Drücker sind aber ganz fest und toll.

Zwischendurch fragt mich Canyon noch, ob ich ein Polaroid machen will. Total gerne und bei der Dunkelheit sieht man auch nicht so sehr mein verheultes Gesicht!! Das große Polaroid schenkt Canyon mir zum Abschied und darüber freue ich mich so sehr.

17.04.2023 Buzzcut-Family

Immer mehr Drücker sind schon vorbei und langsam habe ich mich von allen verabschiedet. Als letztes kommen noch Drew und Canyon; meine zwei engsten Leute hier. Und das tut nochmal besonders weh. Aber auch diese Umarmungen fühlen sich ganz ganz toll an.
Dann hole ich mir über die App ein Motorrad. Das dauert viel viel länger als gedacht und ich stehe nach meinem herzzerreißenden Abschied locker nochmal 10min neben den anderen da haha. Meine Tränen sind getrocknet und ich kann darüber auch etwas lachen. Ich hätte es eh auch nicht andersrum machen können, ich wollte mich beim Abschied nicht stressen lassen und mir so viel Zeit nehmen, wie ich möchte.
Irgendwann ist er dann da, ich drücke nochmal kurz Drew und Canyon, weil die ganz vorne mit mir stehen und dann steige ich auf. Und fahre weg von Menschen, die mich in der letzten Woche so unglaublich glücklich gemacht haben und die mir so so viel geschenkt haben!
Die ganze Rollerfahrt lang kullern mir die Tränen wieder ununterbrochen die Wange runter.
Ich wollte mich zusammenreißen, dass ich nicht als verheulte Tomate bei meiner Gastfamilie ankomme, aber das ist mir jetzt auch egal.
Als ich ankomme ist die kleine Tochter immer noch wach, die mich wieder etwas zum Lachen bringt. Meine Gastmama macht mir noch einen Tee und ich sitze noch eine Weile mit ihnen auf der Couch. Dann geht es bald auch schon ins Bett, nachdem ich etwas mit den Amis gesnappt habe, die am Flughafen ihre Handys wiederbekommen haben.
Das war ein wirklich anstrengender, emotionaler Tag und morgen geht es ins neue Krankenhaus.
Nach einem tränenreichen Abschied und recht großer Angst vor dem, was jetzt noch kommt, schlafe ich unruhig auf dem harten Bett ein.
Bussi Bussis,
~Maite

Ein Kommentar bei „Letzter gemeinsamer Tag, Abschied und viele Tränen“

  1. Du weißt, dass die Kerze IMMER für dich brennt ❤️
    Big hug Mama

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