Krankenhaus-Flop, Heimweh, überraschende Wendung und einige Tränen

Dienstag.
Mein Wecker klingelt gegen 7 Uhr.
Ich wache auf meinem harten Bett auf und frage mich, wer ich bin und wie dieser Tag wohl wird.
Ich hab das Gefühl, ich habe all meine Abenteuerzuversicht verloren. Seit die Amis weg sind, habe ich das Gefühl, dass ich’s alleine nicht mehr schaffen kann.
Naja, irgendwie werde ich das alles schon wieder zurückbekommen.
Jetzt quatsche ich erstmal kurz mit ein paar der Amerikaner:innen, weil sie gerade in Doha gelandet sind. Verrücktttt.
Ich bekomme ganz viele Bilder von Hamburgern geschickt und sie machen sich über mich lustig, dass es für mich gleich wieder Dal Bhat gibt. Für die meisten von ihnen war es noch härter, immer nur Reis zu essen, haha.
Die Burger tun schon ein bisschen weh, aber es ist eine kleine Genugtuung, dass die ungefähr 25$ gekostet haben haha.
Einige andere sind im Oreo Kaffee und rufen mich per Facetime an. Es ist wahnsinnig schön, mit ihnen zu quatschen, und alles ist gleich wieder etwas besser.
Ich hab anscheinend das Frühstück verpasst, also macht mir meine Gastmama Lunch… Dal Bhat.
Es ist 8:30 in der Früh und ich habe wirklich gar keinen Hunger. Und erst Recht wirklich gar nicht auf Dal Bhat. Bitte niiiicht.
Ich komme in die Küche und sehe einen wirklich RIEISGEN Batzen Reis auf meinem Teller. Ach du Heiligeeee.
Ich weiß nicht wieso, aber heute ist es wirklich schlimmer als je zuvor.
Das Essen schmeckt wirklich gar nicht schlecht, aber bei jedem Löffel habe ich das Gefühl, ich übergebe mich gleich auf den Teller. Und die Mutter akzeptiert kein Nein, wenn sie mir nachgeben will, sodass ich irgendwann fast losschreie.
Ich bin endlos glücklich, als ich endlich den Teller geleert habe und der Albtraum vorbei ist.

Zähne geputzt und auf geht’s in den ersten Arbeitstag.
Mein Gastpapa fährt mich mit dem Motorrad zum Büro von Bhagawans Freund. Auf dem Motorrad hinten kommen mir ständig fast die Tränen. Ich glaub’s nicht, dass das Kapitel vorbei ist und die Amerikaner:innen grad nach Hause fliegen.

18.04.2023 Der VERRÜCKTE Nepal-Verkehr

Ich fühl mich nicht bereit für den ersten Krankenhaus Tag und will gern nach Hause. Ich stelle mir den Moment vor, an dem ich Mama und Papa am Flughafen in die Arme renne und mir schießen die Tränen wie Kanonen in die Augen. Ich glaube, ich hatte noch nie so stark Heimweh wie gerade in diesem Moment.
Der Gastpapa setzt mich beim Büro ab und der junge Mann dort ruft mir ein Taxi, das mich zur Klinik fahren soll.
Er kommt mit mir mit und als wir ankommen, bestätigt sich schon meine erste Befürchtung: Das „Krankenhaus“ ist winzig – noch kleiner als das erste Krankenhaus in Kapstadt und es gibt nur 3 Räume.
Keine Notfallambulanz, kein OP, nur eine einzige Schwester. Das kann ja was werden…
Der Arzt kommt wohl erst in 45min.
Der Typ von der Organisation ist aber superlieb und bleibt mit mir da, weil er sagt, dass mir dann nicht langweilig wird. Und die eine Schwester, die da ist, ist auch total toll.

18.04.2023 Erster Tag im Krankenhaus

Ich bemerke, dass ich meinen Geldbeutel vergessen hab – oh shit…
Das sage ich dem Ansprechpartner von der Organisation und er gibt mir einfach so 200 Rupies – ohne zu zögern – und meint, er ist froh, helfen zu können.
Dann geht er kurz auf die andere Straßenseite und kommt wieder zurück, um mich zu holen.
Er hat zwei Kokos-Yoghurt bestellt und ich freue mich total, obwohl ich gar keinen Hunger hab. Er schmeckt auch nicht gut, aber die Geste ist total süß. Er meint, ich brauche ja etwas zu essen, um durch den Tag zu kommen.
Dann komme ich zurück in die Klinik und eine zweite Schwester ist da, die unbedingt TikToks mit mir machen will.
Ich mache das natürlich, aber fühle mich einfach nur wie eine leere Hülle, die in die Kamera lächelt. Ich find das Gefühl wirklich ganz eklig – ich find TikToks so albern und ich fühl mich grad echt nicht happy, deswegen will ich nicht zu irgendnem bescheurten Tanz über beide Ohren grinsen.
Nach dem zweiten Versuch sage ich, dass es reicht und lasse das Plastiklächeln hinter mir.
Dann kommt der Arzt und der Tag wird noch viel schlechter, als ich ihn mir vorgestellt habe.
Er sagt mir, dass es hier in Nepal ein Gesetz gibt, das bewirkt, dass Volunteers und Ausländer:innen eigentlich gar nichts Praktisches machen dürfen und dass ich – wenn ich hier bleibe – nur zuschauen darf.
Ich will am liebsten losheulen, das ist mir alles etwas zu viel.
Er fragt mich auch, was ich mir von diesem Projekt erwarte und ich antworte, dass ich ziemlich offen und spontan bin, aber dass ich praktische Erfahrungen sammeln will und dass meine größte Angst ist, unnütz zu sein und meine Zeit zu verschwenden.
Er meint, dass das in Kathmandu wegen des Gesetzes schwierig sein wird.
Bald wird aus meinem „fast losheulen“ eine Wut, dass ich dann hier platziert wurde, obwohl es dieses Gesetz ja wohl nicht gerade erst seit gestern früh gibt.
Der Arzt ist aber super cool und meint, er hat ganz viele Connections und dass es außerhalb von Kathmandu sehr viel leichter ist mit Projekten im Krankenhaus.
Das gibt mir wieder einen kleinen Lichtblick und ich beschließe, dass ich mein Glück selber in der Hand habe.
Der Arzt geht in ein Meeting, zeigt mir vorher kurz noch die Praxis nebenan, in der seine Frau als Physiotherapeutin arbeitet – das sind aber nicht so spannend aus und ich beschließe, erstmal mit Bhagawan Kontakt aufzunehmen.
Erstmal google ich ein wenig, welche Alternativen es so gibt und so weiter.
Dann schreibe ich Bhagawan eine ganz lange Nachricht, dass ich mega enttäsucht vom Projekt bin und was der Arzt mir alles gesagt hat.
Ich frage ihn, welche Alternativen es gibt und wie wir das regeln können.
Ich sende die Nachricht ab und eine Minunte später bekomme ich einen Anruf von ihm, dass er sich sowas schon gedacht hat und dass ich einfach wieder zurück nach Chitwan fahren kann, bei ihm wohnen kann und dort ins Krankenhaus gehen kann. Dort waren wohl schon viele Volunteers und es hat ihnen immer sehr gut gefallen. Er kennt auch den Manager des Krankenhauses usw.
Ich bin total überfordert und fange erstmal an zu lachen. Soll ich jetzt einfach wieder nach Chitwan fahren? Was geht eigentlich in meinem Leben ab haha? Bhagawan ist echt toll und unterstützend und das macht alles ziemlich viel einfacher.
Nach ein paar verwirrten und überforderten Sekunden und Minuten steht es wohl also fest, dass ich meine Gastfamilie verlasse, wieder nach Chitwan fahre und bei Bhagawan wohne.
Nachdem ich auflege lache ich noch mehr – das ist alles so verrückt und surreal – mein Leben läuft grad einfach wie ein Ball, der random hin und hergekickt wird.
Aber gut, so ist das jetzt also.
Ich warte, bis der Arzt von seinem Meeting zurückkommt, was eine ziemliche Weile dauert – unterhalte mich dann nochmal kurz mit ihm und schreibe dann dem Organisations-Ansprechpartner, dass ich schon fertig bin, ob er mich abholen kann.
Er braucht circa 40min zu mir und als er da ist erzähle ich ihm, was los ist.
Dann rufen wir gemeinsam ein Motorrad, ich bedanke mich und fahre zu meiner Gastfamilie.
Das Kapitel ist jetzt dann wohl auch wieder schnell vorbei, schätze ich.

Als ich dort ankomme, spiele ich erst kurz mit der Tochter, dann sage ich, dass ich etwas Zeit für mich brauche und ein Nickerchen machen möchte.
Ich habe mich die ganze Zeit sehr zusammengerissen und sobald ich die Zimmertür hinter mir schließe, lasse ich meinen Tränen freien Lauf. Ich weine so viel, wie ich es lange nicht mehr getan habe und weiß gar nicht so richtig warum. Es ist einfach alles zu viel, dass ich jetzt das Projekt wechsele, der Kulturschock, der durch die Amis jetzt erst viel verzögerter kommt, das Vermissen der Amis, das Ungewisse, das Gefühl, dass ich’s alleine nicht mehr schaffen kann, die neuen Haare und vieles mehr.
Es tut unglaublich gut, alles einmal rauszulassen – auch wenn es tatsächlich ziemlich wehtut.
Ich merke auch, dass ich total übermüdet bin, weil ich die letzten Tage echt wenig geschlafen habe wegen der Reise, dem harten Bett und der Stauballergie.
Ich mache die drei ??? an und versuche, ein Nickerchen zu machen, was eher so semigut klappt.
Ich schreibe und telefoniere ein bisschen mit Zuhause, was alles etwas besser macht. Ich hab wieder ziemlich stark Heimweh; ich wusste nichtmal, dass es das Gefühl für mich gibt.
Dann geht es mir aber wieder etwas besser – es hat gut getan, das alles mal rauszulassen.
Meine Gastmama kocht mir gegen 18:30-19 Uhr Nudeln mit einer Art Tomatensoße und Käse zum Essen und ich FREUEEEE mich so sehr! Das schmeckt so geil und heitert mich wieder ein wenig auf.
Der Tag war aber unglaublich anstrengend und ich bin echt ausgelaugt. Auch von dem ganzen Weinen – meine Augen fallen fast zu.
Nachdem ich noch ein bisschen mit der Tochter gespielt habe, etwas im Zimmer war usw. gehe ich zum Zähne putzen gegen Viertel vor 9.
Da sagt mir meine Gastmama, dass ich erst nach dem Abendessen Zähne putzen soll. Ich versteh nicht ganz, was sie meint, dann erfahre ich, dass die Nudeln nur ein Snack waren und Dal zum Abendessen noch kommt. Ach je. Ich hab doch gar keinen Hunger mehr haha.
Sie gibt sie mir wieder richtig viel Essen, obwohl ich drei Mal höflich gesagt habe, dass ich nicht so viel will.
Naja, mir geht es schon besser, deswegen ist es halb so wild, aber ich esse so schnell, wie es geht, um es einfach nur hinter mich zu bringen.
Sie meint, dass ihre Mutter ihr immer gesagt hat, wenn man jemanden zu mehr Essen zwingt, heißt das, dass man ihn liebt. Ich platze innerlich und will ihr am liebsten sagen, dass ich lange nicht so was bescheuertes gehört hab haha. Jemandem sein Essen runterzuzwingen ist sicherlich die pureste Form von Liebe.
Naja, danach packe ich meine Sachen zusammen, putze Zähne und gehe ganz schnell ins Bett – ich bin froh, dass der Tag vorbei ist.
Total übermüdet und ängstlich vor der Zukunft schlafe ich irgendwann ein.
Bussi Bussis,
~Maite

2 Kommentare bei „Krankenhaus-Flop, Heimweh, überraschende Wendung und einige Tränen“

  1. Bubuuuuuuu: Aufstehen Krone richten und weitergehen!!! Duu rockst das ❤️❤️

    1. Dankee Mammiiiiiii. Mach ich <33

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