Dienstag.
Um fünf Uhr morgens klingelt mein Wecker. Das ist tatsächlich gar nicht soo schlimm, weil ich ja schon um halb zehn geschlafen hab. Er klingelt so früh, weil ich den Sonnenaufgang sehen möchte.
Die Wolken, die gestern die Bergkette verdeckt haben, sind verschwunden und man kann die tollen, schneebedeckten Berge in ihrer vollen Pracht erkennen. WOW.

Es ist wirklich so wunderschön und erneut finde ich es wahnsinnig verrückt, dass das gestern einfach nur wegen der Wolken verschwunden und nicht zu sehen war.
Mein Guide und die drei Israelinnen sind auch schon wach und wir unterhalten uns ein wenig. Ich finde es unglaublich kalt, weil ich auch noch total müde bin – und frage mich, wie ich es bitte aushalten soll, dass es mit jedem Höhenmeter auch noch immer kälter sein wird haha.
Für diesen Ausblick friere ich aber gerne ein wenig!
Die Sonne macht sich als erstes dadurch bemerkbar, dass die Bergspitzen anfangen zu glühen. Dann verfärben sich die Wolken lila und es ist jetzt schon magisch.
Langsam aber sicher verbreiten sich die Sonnenstrahlen mehr und mehr am Himmel, bis plötzlich die Sonne hinter einem Berg hervorlugt. Es sieht so toll aus. Die Sonne ist schon gelb, als sie auftaucht – wahrscheinlich, weil sie etwa vor 40min unten im Dorf aufgegangen ist. Mittlerweile ist es 6 Uhr und ich beschließe, dass es keinen Sinn mehr macht, nochmal ins Bett zu gehen.

Also lese ich ein bisschen und versuche, mich meinem Reiseblog zu widmen, was mir hier in den Bergen ziemlich schwerfällt.
Ich sehe, dass das eine Pärchen mit ihrem Guide Yoga macht und beeile mich, dass ich dabei noch einsteigen kann. Ich frage, ob ich mitmachen darf und sie bejahen freundlich. Die Frau, die die Yogastunde auch leitet, gibt mir sogar eins von ihren Kissen ab. Der Steinboden ist nämlich echt super kalt.
Einer der anderen Guides bringt mir noch schnell zwei weitere Kissen, was wirklich superlieb ist und ich bin perfekt ausgestattet.
Das Yoga ist wirklich richtig toll – ich mag ihre Stimme total gerne und es ist richtig schön, so in den Tag zu starten.
Hier draußen mit dem traumhaften Bergpanorama und der frischen Luft.
Es fühlt sich gut an, mich auf den Tag und die Wanderung vorzubereiten und meinem Körper und auch Kopf und Seele etwas Gutes zu tun.
Zum Frühstück gibt es für mich Porridge mit Apfel und Banane und eine heiße Schoki. Bei dem Porridge denke ich an Bhagawan zurück und auch daran, dass seiner viel viel besser war als der hier heute 😉
Ich unterhalte mich ein wenig mit dem Yoga-Paar.
Zähne putzen, fertig machen, bezahlen. Ich bezahle ca. 15€ für 3 Mahlzeiten, viel Tee und heiße Schokis. Das ist echt teuer für Nepalverhältnisse, aber eigentlich ja soo so günstig. Verrückt.
Dann beginnt auch schon die Wanderung und wie immer denke ich mir während der ersten halben Stunde, wie zum Teufel ich bitte diesen Tag überleben soll ey. Dann groove ich mich natürlich ein und die Zeit vergeht superschnell. Ordentlich schwitzen tue ich trotzdem und einige Passagen haben es auch wirklich in sich. Manche Abschnitte bestehen wirklich nur aus endlosen Steinstufen, sodass man fast fluchen möchte.
Die Natur ist wundervoll und ich genieße es aus tiefstem Herzen.
Zwischendurch bleibe ich mal wieder stehen, schließe die Augen oder schaue in die endlose Natur. Höre und fühle meinen pochenden Herzschlag im Herzen und im Kopf. Höre die Vögel zwitschern. Und fühle und höre dabei zu, wie mein lauter Herzschlag immer langsamer wird, irgendwann fast völlig verstummt und aus meinem Kopf verschwindet.
Dieser Moment ist immer wieder so besonders für mich. Ich habe dabei das Gefühl, mein Körper, mein Herz und mein Kopf sind zu 100% auf einer Wellenlänge
Anschließend geht es wieder munter weiter.
Uns kommen vollbepackte Esel entgegen und ich schätze, wir haben die Antwort auf die Frage, wie das Essen und alle weiteren Dinge auf den Berg kommen. Auf dem Weg sehe ich aber auch immer Mal wieder Menschen, die große Rucksäcke den Berg hochtragen. Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem.

Die Esel finde ich auf jeden Fall sehr cool – die sehen nicht einmal so aus, als wäre das anstrengend. WIE BITTE?! Ich hier halb am Sterben mit meinem kleinen Rucksäckchen.
Naja – ich hab ja auch keine 4 Beine zum Tragen, also ist das auch unfair. 😉
Die erste Pause machen wir an einem kleinen Hüttchen – ich esse einen Granola-Riegel und bekomme einen Oreo vom anderen Paar geschenkt, das in etwa mit uns gestartet hat und mit uns Pause macht. Über diesen Oreo freue ich mich wirklich sehr!
Bikram gibt mir ein paar von seinen Zitronenkeksen ab und dann geht es weiter. Das Aufziehen des Rucksacks ist immer das schwerste. Wenn man das Gewicht hochhebt, ohne die Strapse festgezogen zu haben. Das beeindruckt mich mal wieder total – wie viel man mit Physik und Hebeln am Gewicht verändern kann.
Ziemlich schnell erreichen wir das Forrestcamp, das eigentlich unser nächster Stopp sein sollte. Es ist erst kurz nach elf und ich bin heilfroh, dass wir den Zeitplan geändert haben.
Sonst wäre auch der zweite Wandertag eigentlich schon rum.
Hier essen wir Mittag – Nudeln mit Gemüse, hier Chowmein genannt. Nicht das Beste, was ich je gegessen habe, aber auch nicht schlecht, und zur Stärkung reicht es definitiv. :-))
Als wir mit dem Lunch fertig sind, holt uns die israelische Gruppe ein, die wir vorhin überholt haben und ich merke, dass wir schon auch einfach ziemlich schnell unterwegs sind. Sie skippen ihr Mittagessen und wandern direkt weiter.
Nach 10 Minuten folgen wir und haben sie im Nu wieder überholt.
Ist aber schon auch anstrengend und so langsam merke ich es dann doch auch in meinen Beinen.
Wir erreichen das nächste Camp, das eigentlich für Tag 3 bestimmt ist und machen nochmal eine Pause. Es wird Zeit für mein Studentenfutter und das schmeckt echt lecker! Ich lege mich auf eine Bank und lese etwas, dann holen uns die 3 Mädels wieder ein.
Die übernachten heute hier an diesem Ort – für mich und meinen Guide geht es nochmal etwa 1,5h weiter.
Pui – das wird glaube ich nochmal eine Herausforderung.
Nachdem wir wieder etwas Kraft geschöpft haben, geht es weiter und ab jetzt wird es wirklich tough… Wir kommen immer höher – das Ziel sind 3300 Meter.
HALLELUJA – diese letzte Stunde hat es echt in sich. Ich merke, wie mein Atem schon kürzer wird. Oder bilde es mir zumindest ein; so geht es diese Stunde über die ganze Zeit – ich frage mich, ob ich wegen der Höhe Probleme habe oder ob es einfach so ist wie immer, nachdem man den ganzen Tag gewandert ist.
Ich zähle gedanklich meine Schritte mit, um meinen Kopf zu beschäftigen und ihn davon abzuhalten, meinen Beinen zu sagen, dass sie eigentlich nicht mehr funktionieren. Ganz langsam setze ich einfach einen Fuß vor den anderen.
Mein Guide ist fröhlich und leichtfüßig vorne weg – dem sieht man wirklich keinen einizigen Funken an Erschöpfung an haha – er wartet aber immer wieder auf mich.
Genau auf diese Art von Herausforderung und Erschöpfung habe ich mich so gefreut bei dieser Wanderung. Mal wieder seine Grenzen austesten und sich durch etwas durch zu beißen.
Es vergeht Schritt um Schritt, schwerer Atemzug um schwerer Atemzug, Minute um Minute.
Obwohl ich total schwitze, merke ich, dass es in dieser Höhe auch echt schon sehr frisch wird.
Mir kommen ein paar Wanderer entgegen, der eine lacht und meint – jaja warte mal noch ein paar Minuten, wie kalt es da sein wird. NA SUPER haha.
Nach einigem Zähnezusammenbeißen und nachdem der Rucksack Schritt für Schritt schwerer wird, kommen wir endlich bei unserer heutigen Übernachtungsstelle an. OH MEIN GOTT. Endlich!
Es hat sich gelohnt – der Ausblick ist wirklich wunderwunderschön, obwohl es ziemlich bewölkt ist.
Bikram meint, dass man mir in der letzten Stunde angemerkt hat, dass ich gekämpft habe, weil ich nicht mehr das große breite Grinsen auf dem Gesicht hatte haha. Da antworte ich ihm, dass ich aber innerlich ein ganz ganz Großes Lächeln hatte!!
Hier dusche ich nicht, weil das Wasser sowieso kalt ist, und ziehe dafür direkt alle warmen Klamotten an, die ich finden kann.
Zunächst sitze ich im Kaminraum mit meinem Buch und einem Tee. Es wird wärmer, aber der Kamin ist nicht dicht und der ganze Rauch verteilt sich im Raum. Das kann ich mir wirklich nicht länger als 2 Minuten antun und flüchte ins andere Zimmer, wo nebenan auch die Küche ist.
Die Frau gibt mir eine dicke dicke Decke und so ist es dann auch hier aushaltbar.
Das Paar, dass sich hier um das Hostel kümmert ist so so lieb. Ich übe mein nepalesisch und bekomme im Gegenzug mal wieder fröhliches Lachen, Worte und Fragen, die ich verstehe, und gleichzeitig auch zahlreichen Wirrwarr, den ich nicht verstehe.
Ich lerne auch ein paar neue Worte – „Jaro-cha“ heißt, es ist kalt. Also sage ich „Dherei jaro-cha – gormy choina“, was einfach nur „Es ist sehr kalt und nicht warm“ heißt und mit 100-prozentiger Sicherheit falsch geschrieben ist. Aber man muss ja mit allem arbeiten, was man schon kann hahah. Ich muss ja weiter üben. 😉
Ich sitze mit einer dicken Decke, einer hässlichen Mütze, die mir auch noch zu klein – aber warm – ist, und meinem Buch in 3335 Metern Höhe und wäre nirgends gerne lieber. Es ist so SAUKALT, aber mit der Decke und geschlossenen Türen fühle ich mich einfach nur wohl und bin unglaublich geerdet.

Ich würde gar nicht unbedingt das Wort glücklich benutzen, weil das für mich hier irgendwie nicht so richtig passt.
Eher zufrieden vielleicht?
Das Gefühl ist auf jeden Fall ausschließlich positiv.
Ich bin erschöpft – aber auf eine gute Weise.
Stolz, dass ich den Tag, diese lange Wanderung, die endlosen Kilometer und die vielen Höhenmeter geschafft habe.
Dankbar, dass ich dadurch so viele tolle Sache sehen durfte.
Geflasht, dass ich gerade in 3335 Metern Höhe sitze.
Ungläubig, dass es da unten im Dorf mit 38° unglaublich heiß ist und ich hier mit mehreren Schichten an Kleidung, Decke, Mütze und dicken Socken sitze – UND FRIERE.
Aufregt und mich selbst für bekloppt haltend, dass ich morgen nochmal die gleichen Höhenmeter zurücklegen werde und am Ende bei 4500 Metern landen werde.
Immer wieder kommt die Müdigkeit wie ein Schwall und legt sich wie ein Bleihelm auf meinen Kopf, sodass ich das Gefühl habe, ich würde in den Boden gedrückt werden.
Ich frage mich, wie viel davon das frühe Aufstehen war; wie viel die lange Wanderung, wie viel die Höhe, wie viel der schwere Rucksack, den ich getragen habe, und wie viel die zu kleine Mütze, die meinen Kopf zerdrückt. Ich entscheide mich für den Gedanken einer guten Mischung aus allem.
Die Sonne scheint durch das Fenster in den Raum hinein und ich kann sehen, wie sie von meinen Wimpern reflektiert wird. Es ist einfach nur toll und ich fühle mich zu 100% eins mit mir selber.
Frieren tue ich aber immernoch und Hunger habe ich auch, deswegen bestelle ich mir eine Nudelsuppe. Dafür muss ich von meinem Bankplatz aufstehen und an den Tisch umziehen. Die Decke wird aber AUF JEDEN FALL mitgenommen.
Es schmeckt so so gut, obwohl es nur instant Nudeln mit Gemüse sind, und wärmt mich wieder etwas auf.
Auf dem Tisch liegt außerdem noch ein grünes Gemüse, das ich noch nie gesehen habe, und ich frage nach, was das ist.
Den Namen habe ich jetzt natürlich schon wieder vergessen, ich darf es aber probieren und es schmeckt ziemlich intensiv nach Knoblauch – geeeeil ey.
Dann schreibe ich noch etwas am Reiseblog, bis die Sonne untergeht. Es ist super bewölkt – sieht aber trotzdem unglaublich schön aus.
Ich gehe nochmal nach draußen, um den Ausblick zu genießen – halte es aber kaum aus und gehe nach maximal 2min wieder nach drinnen haha. Muss der Sonnenuntergang eben durch eine Scheibe angeschaut werden.

Er ist wirklich so magisch und alles ist hier so friedlich und einzigartig. Gegen etwa halb 7 ist es dann auch schon dunkel – und so viel Licht gibt es hier ja nicht.
Da ich ja sowieso meine Müdigkeitsanfälle habe, weiß ich, dass ich einfach sehr früh schlafen gehen werde.
Bald bespreche ich auch mit meinem Guide, dass wir schon um 5 Uhr starten werden, also ist das ja sowieso nicht verkehrt.
Gestern bin ich ja auch um halb zehn ins Bett gegangen – und heute Morgen um 5 aufgestanden – das hat super geklappt.
Der liebe Hüttenmann, der Gopal heißt, hält mir eine Tüte Chips hin und
lässt mich probieren. Die schmecken echt gut und er meint, dass ich sie aufessen darf. Also schreibe ich mampfend meinen Blog, bis ich nach meinem Abendessenswunsch gefragt werde.
Eigentlich habe ich gar nicht wirklich Hunger, schaue mir aber trotzdem mal die Speisekarte an. Gestern hatte das eine Mädchen tibetisches Brot und ich durfte probieren – das war so lecker. Ist auch nur ein kleiner Snack, deswegen bestelle ich es.
Bikram isst Dal Bhat und gibt mir noch die Hälfte seines Omelettes ab – wie süß.
Dann ist auch mein Brot fertig und HOLY schmeckt das gut!! Ein bisschen Honig dazu und ich bin im siebten Himmel. Leider erfahre ich, dass es das hier nur in den Bergen gibt. Also weiß ich wohl, was ich die nächsten 3 Tage hier essen werde haha.
Gopal stellt mir auch noch eine Schüssel von dem Gemüse hin, das ich vorher ungekocht/-gebraten probiert habe und es schmeckt so noch besser. Ich probiere es aber nur, weil ich wirklich keinen Hunger mehr habe.
Um 8 Uhr geht es mit zwei dicken Decken auch schon ins Bett. Ich mache noch alles bereit für morgen. Und als ich meinen Wecker auf 5 Uhr stelle, bin ich geflasht, zu sehen, dass der Wecker in 9h klingeln wird.
5 Uhr morgens und 9h Schlaf? Das kann doch irgendwie nicht zusammenpassen?!?
Ich genieße diesen naturangepassten Rhythmus und um 8 fallen meine Augen nach einem wundervollen Tag zu.
Bussi Bussis,
~Maite