APC – DAY 8

Montag.
Ich wache auf – in der Nacht gab es keine Insektenvorfälle.
Puh.
Zu wundervollem Ausblick aufgewacht und angezogen. Zum Frühstück gibt es Porridge.
Ich erfahre, dass ein Teil der nepalesischen Gruppe mit uns den Pass überqueren wird. Das begeistert mich eher wenig, weil einer von ihnen mich extrem nervt. Es ist so laut und macht für mich total den Frieden der Natur kaputt.
Ich glaube, ich bin auch einfach noch total müde, aber ich steigere mich sehr stark in die schlechte Laune hinein.
Ich lasse mich zurückfallen, um alleine zu wandern.
Jedes Mal, wenn ich näher komme und deren Stimmen höre, nervt es mich mehr und mehr. Auch das Wandern ist ziemlich schwerfällig – mein Rucksack ist so so schwer, weil er wieder ganz vollgeladen ist und mich in den Boden drückt.
An einer Rast überhole ich sie und laufe vorne weg.
Ich will meine schlechte Laune endlich loswerden.
Das klappt tatsächlich ganz gut, als ich zum ersten Mal in meinem Leben Yaks sehe. Sie sind ziemlich weit weg, aber ich freue mich so sehr ahhh.
Man erkennt sie an dem langen Fell, das fast bis zum Boden reicht. Und sie haben längere Hörner, ansonsten sehen sie ziemlich ähnlich aus wie Büffel. Sie sind aber auch ziemlich weit weg. Ich denke, dass sie sich ihre Wiese mit Pferden teilen – eigentlich sind es aber Rehe, wie ich später erfahre. Die Nepalesen und Bisman holen mich wieder ein und ich bin positiver auf sie gestimmt. Sie konnten nichts dafür, dass ich müde und schlecht gelaunt war haha…
Als ich das gerade realisiere, fliegt ein riesiger Adler seine Runden über meinen Kopf. WOOOW :‘)
Er bietet uns wirklich eine komplette Show – es ist so toll! Er ist so elegant und schwerelos. Ich liebe es einfach nur und meine Laune sprengt wieder die Decke.
Dann geht es also ohne schlechte Laune im Gepäck weiter. Das heißt nicht, dass es nicht trotzdem super schwerfällig ist und meine Beine Zentner wiegen. Ich glaube, auf jeder mehrtägigen Wandertour sind der erste Tag und ein Tag irgendwo zwischendurch am härtesten. Diesen Tag irgendwo zwischendurch habe ich gerade erwischt. Meine Beine wollen nicht mehr. Das zeigen sie mir heute recht deutlich.
Ich kämpfe mich durch und mache mir zum ersten Mal die drei ??? an.
Bisher wollte ich einfach immer zu 100 Prozent die Natugeräusche – jetzt brauche ich aber einen Boost.
Meine Kopfhörer sind recht schnell leer und die Wanderung geht leider wieder ohne weiter.
Wir befinden uns in einem kleinen Dörfchen, das Yak Karka heißt – also Yak Wiese.
Ich komme an Tieren mit riesigen Hörnern vorbei und denke mir – WIE GEILLL ey Yaks aus nächster Nähe. Ich mache tausend Bilder vor dem traumhaften Bergpanorama und denke mir WOW.
Stadtkind entlarvt: ES WAREN FREAKING OCHSEN VERDAMMTER MIST.
Hahaha upsiiii, manchmal sieht man wohl wirklich nur das, was man auch sehen will.
Aber – enttäuscht werde ich trotzdem nicht. Kurz danach sehe ich eine ganze Yak-Familie mit Baby-Yaks und der Ort macht seinem Namen doch noch alle Ehre.
Ich muss recht nah an ihnen vorbei und habe echt mehr Angst als gedacht haha, so nen Tritt möchte ich ehrlich nicht abbekommen.
Ich mache einen etwas größeren Bogen, aber genieße die Erfahrung sehr.

12.06.2023 YAAAKKKK + Bebi

Wir haben es erstmal geschafft und machen eine Mittagsrast, um MoMos zu essen. Die Stärkung kann ich gut gebrauchen. Bisman bringt mir außerdem noch eine Limo – MEGA!!
Tatsächlich haben wir nach 3 Tagen hier mal wieder für einen kurzen Moment WLAN und ich bin unendlich froh, mich mal wieder zuhause melden zu können.
Nachdem das gemacht ist, flattern 300 andere Nachrichten rein und ich find’s mal wieder beeindruckend, wie schnell man Dinge „verpasst“, wenn man mal nur in der Natur und dem Moment lebt.
Dann lese ich eine schlimme Nachricht von Zuhause, die mich völlig aus der Bahn wirft.
Ich möchte hier nicht näher darauf eingehen, aber gleichzeitig müssen diese Emotionen in diesen Blogeintrag, weil sie ab jetzt meinen ganzen Tag bestimmen. (Schwerer Unfall eines Familienfreundes).
Ich sitze im Nirgendwo auf einer nepalesischen Hütte und beginne, Rotz und Wasser zu heulen. Es ist einfach so unwirklich und ich schaffe es nicht mehr, mich zu beruhigen.
Irgendwann bekommen das Bisman und die Nepalesen mit und fragen mich, was los ist.
Als sie alle meine Rotzfäden sehen, geben mir sie Taschentücher, was ich sehr lieb finde.
Als ich gerade erklären will, was los ist, ruft mich Edda an.
Ich schaffe es gar nicht, zu reden, weil ich nur weine und hyperventiliere.
Mit ihrer Hilfe beruhige ich mich ziemlich schnell wieder und kann mit ihr reden.
Das WLAN lässt es Gott sei Dank für eine Weile zu.
Ich brauche das gerade mehr als alles andere, einen Teil von Zuhause hier zu haben. Und Edda gibt mir wirklich alles, was ich brauche.
Mit dieser Nachricht explodiert meine Angst und mein Heimweh ins Unermessliche und ich will einfach nur nicht mehr alleine sein. Ich will meine Familie und meine Freunde umarmen. Und ich habe das Gefühl, ich kann das hier alles nicht mehr schaffen.
Nach wenigen Minuten bricht das Telefonat mitten im Gespräch ab, weil das WLAN wieder weg ist, und ich kann nicht mehr tschüß sagen.
Leider funktioniert das WLAN nicht noch ein zweites Mal – ich hatte nur Glück.
Ich esse also mein Mittagessen, was die Köche für mich nochmal aufwärmen, weil ich es verpasst habe. Total lieb.
Ich erkläre den Nepalesen kurz, was los ist und esse wie in Trance meine MoMos.
Das WLAN lässt nicht mal eine Nachricht an Edda zu, dass ich jetzt weiterwandern muss. Aber sie wusste, dass das WLAN eine Pokerrunde war, also denkt sie sich das sicher.
Ich kann eh nicht anders, als wohl oder übel weiterzuwandern.
Ich kann von hier aus eh nichts machen und muss meinen Übernachtungs-Ort für heute erreichen.
Dass das wahnsinnig schwer ist, könnt ihr euch sicher denken.
Bisman ist mal wieder herzensgut und toll und meint, dass wir morgen einen großen Tempel erreichen, bei dem wir dann gemeinsam für alles beten können.
Ihr wisst ja, dass ich nicht so gläubig bin, aber die Geste von ihm bedeutet mir unfassbar viel. Und ich werde das Angebot wohl annehmen.

Meine Beine sind plötzlich nicht mehr schwer, mein Atem fühlt sich nicht mehr eng an.
Ich wandere los, bin viel schneller als alle anderen und bin mit meinen Gedanken einfach nur komplett woanders.
Ich schluchze vor mich hin, kontrolliere gar nicht meine Atmung und setze viel zu schnell einen Fuß vor den anderen.
Ich fliege den Berg hoch, weil ich einfach in einer vollkommen anderen Welt feststecke.
Ihr wisst ja, wie unkontrolliert die Atmung beim Weinen schon in Ruhe im Bett ist.
Bei einer Steigung in 4000 Metern Höhe nimmt das wohl andere Dimensionen an, die ich nicht bemerke.
Wie ungesund das für meinen Körper wohl sein muss, kann ich in dem Moment nicht sehen.
Wie im Tunnel wandere ich einfach durch wunderschöne Landschaften, die ich gar nicht wahrnehme.
Irgendwann gelange ich mal wieder kurz in der Realität an und bekomme Angst, dass ich den falschen Weg gewählt habe. Also mache ich eine Pippi-Pause, setze mich auf eine Steinruine und warte auf die anderen.
Wie lange sie noch brauchen, erschreckt mich und zeigt mir, wie schnell ich gelaufen bin.
Sie brauchen locker noch 10 Minuten und das ist echt viel, wenn man bedenkt, dass ich zuvor weit hinter ihnen war.
Gott sei Dank – ich bin richtig und ab jetzt geht es wieder gemeinsam weiter.
Man kann mittlerweile das Base-Camp schon sehen und ich bin so ready, anzukommen.
Der Weg ist komplett voller Geröll und wir laufen mehr oder weniger querfeldein.
Ich bin froh, dass ich auf die Nepalesen gewartet habe. Alleine wäre das hier etwas sketchy. Bisman erzählt mir sogar, dass wir diesen Weg hier gerade mit 1h Umweg nehmen, weil der ursprüngliche Weg wegen Steinlawinen nahezu unbegehbar ist.
Oh wei – ist wohl wirklich nach der Saison..
Ich habe mich für einen Moment lang wieder gefangen und bin umgehauen von der Aussicht. Wir befinden uns gerade in einer Art „Felsenbucht“. Die Berge um uns herum bestehen alle aus verschachtelten Felswänden, zwischen denen ein Wasserfall und ein Fluss fließt. Es ist atemberaubend. Es fühlt sich verrückt an, hier zu sein. Als sei alles ein Paralleluniversum.

12.06.2023 Der Wahnsinn :‘)

Ich sehe zum ersten Mal in meinem Leben eine Hängebrücke im Bau. Das Seil ist schon gespannt, aber die Stahlplatten zum Einsetzen liegen alle auf einem Haufen am Berg. Welch ein Job das wohl sein muss… Ich frage aber nach und tatsächlich sind die Leute gesichert – Nepal hätte ich das auch ohne Sicherung zugetraut.

12.06.2023 So sieht das dann also aus haha

Der Fluss, den wir durch-/überqueren, ist aufgrund der beginnenden Regensaison ziemlich reißend.
Es ist ein kleiner Eiertanz, mit trockenen Füßen dort durchzukommen.. Klappt aber und genau sowas liebe ich ja hehe.
Etwas springen, klettern und leben.
Dann geht es auf der anderen Seite des Flusses nochmal nach oben. Das Hostel ist wirklich in Greifnähe. 1,2,3,4,5,…..99,100,….. JUNGE immer noch in Greif-, aber noch nicht in Berührnähe.
Bisman und ein Nepalese sind schon oben und dass sie mir dabei zuschauen, wie ich mich hier die letzten Meter hochquäle ist wirklich sadistisch haha. Ich meine, dass ich glaube, meine Beine hören nicht mehr auf mein Gehirn und beide lachen.
Naja – und dann berühre ich für heute die Hostelwand. ENDLICH!
Der Tag war einfach so viel.. Sowohl psychisch als auch mental.
Wir sitzen erstmal eine Weile kaputt auf der Holzbank vor der Tür und ich versuche, meine Gedanken zu ordnen.
Eigentlich ist alles, was ich will, WLAN zu haben und mit Zuhause zu reden. Also zeigt Bisman mir mein Zimmer, ich ziehe mich so warm es geht kuschelig an und setze mich schnell in den Gemeinschaftsraum, um WLAN zu haben.
Das klappt tatsächlich auch echt gut und ich bin erleichtert, heute etwas Unterstützung zu haben.
Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie kaputt ich bin. Ich glaube, dieser Tag war eins der anstrengendsten Sachen, die ich je gemacht habe.
Ich bin müde, kaputt, fertig, habe Kopfschmerzen, meine Augen fallen mir beinahe zu und ich weiß nicht, wohin mit mir.

12.06.2023 Auch mal die müde und traurige Maite.

Ich bestelle mir einen Milch-Tee, der mir ein wohliges Gefühl gibt und schreibe viel mit Zuhause.
Es kullern immer mal wieder ein paar vereinzelte Tränchen. Ist gerade nicht leicht.
Aber wir kommen alle zu dem Entschluss, dass das beste, was ich jetzt machen kann, ist, den Gebirgspass zu genießen, auf den ich seit 8 Tagen hinwandere.
Es wird sicher eine Herausforderung, aber ich fühle mich nach diesen Gesprächen etwas mehr bereit.
Bisman bringt mir eine dicke Decke und ich existiere an diesem Abend mehr oder weniger so vor mir hin.
Es ist Zeit zum Abendessen und ich bestelle Dal Bhat. Ich glaube, das ist eine gute Grundlage für morgen.
Ich beginne, mit dem Löffel zu essen. Der eine nette Nepalese sieht das und meint – DAS GEHT SO NICHT.
Er gibt mir sehr liebevoll eine erneute Dal Bhat Essensnachhilfe und bringt mich auf andere Gedanken. Es macht mega viel Spaß, mit ihm zu essen. Zum Reis gibt es rohe Zwiebeln und Knoblauchzehen wegen der Höhe und ich greife ordentlich zu. Immer eine Hand Reis mit Dal und Curry und hinterher eine Zwiebel oder ein Stück Knoblauch.
Schmeckt echt gut, aber ich bin froh, dass heute niemand neben meinem Atem im Zimmer schlafen muss haha.
Es ist das beste Dal Bhat, das ich seit Langem gegessen habe, mit mega geilen Mini-Soja-Bällchen.
Ich rede etwas nepalesisch mit dem Hüttenwirt, den ich wirklich sehr gerne mag. Er hat so eine niedliche heimelige Ausstrahlung.
Er erinnert mich ein wenig an Gopal (vom Mardi Himal Trek).
Nach dem Abendessen verabschiede ich mich auch schon ins Bett, der Tag darf für mich jetzt gerne enden.
Draußen in der dunklen kälte Zähne putzen, aufs Stehklo gehen und ab ins Bett.
Die Nacht wird sehr sehr kalt, ich hätte eine zweite Decke holen sollen. Naja; müde, ausgelaugt und nervös, aber auch voller Vorfreude auf den nächsten Tag, gehe ich Schlafen.
Bussi Bussis,
~Maite

Ein Kommentar bei „APC – DAY 8“

  1. Ach bubu…. ‚-(
    Irgendwann wird es gut. Wir kämpfen alle dafür.
    Wir freuen uns so sehr auf dich ❤️❣️❤️
    Kuss Mama

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