Hin und Hergerissen und ein kräftezehrender Heimweg

Dienstag.
Aufgewacht und schon etwas weniger motiviert als gestern.
Abeeer erstmal abwarten und schauen, was der Tag so bringt.
Zum Frühstück gibt es eine Art gemanschte gebratene Cornflakes mit Zwiebeln und Nüssen. Siva meint, das ist ein neues Rezept, was er ausprobiert hat. Ist jetzt nicht mein Favorit, schmeckt aber trotzdem.
Mein Fahrradreifen ist schon wieder platt – ich pumpe ihn aber auf und hoffe auf das Beste: Das er den Tag überlebt und ich mich dann kümmern kann.
Ich schwinge mich aufs Fahrrad und düse los. Der Weg ist unfassbar anstrengend und uiuiuiii.
Angekommen begrüßen mich wieder 3 Student:innen – yipiieeee natürlich.
Es gibt wieder nichts zu tun und auch heute will ich am Liebsten losschreien. Ich glaub, ich halte das nicht mehr aus. Ich rede sogar schonmal kurz mit Bhagawan und er meint, dass ich ja vielleicht auf eine andere Station wechseln kann, woraufhin ich sage, dass das auch n Fail war. Naja – erstmal nochmal abwarten.
Ich bin mir aber in diesem Moment sicher, dass ich hier nicht mehr länger bleiben will. Wozu meine Zeit verschwenden?
Der Gedanke, dass ich hier als Volunteerin wirklich was Gutes tun kann mit meinem Helfen, ist leider schon vor einiger Zeit gestorben. Dass mich das unglaublich traurig macht, brauche ich glaube ich gar nicht zu erwähnen. Es kommt langsam und schmerzhaft die Realisation, dass Volunteering an vielen Stellen wohl einfach ein Konzept ist, um Leuten aus 1.-Welt Ländern das Gefühl zu geben, als könnten sie etwas Gutes tun. Viele Projekte sind sicher auch sehr sinnvoll – das weiß und hoffe ich. Meins ist es nicht.
Nachdem dieser Helfer-Gedanke also schon verflogen ist, möchte ich es jetzt wenigstens für mich zu einer erfahrungsreichen Zeit machen und neue Dinge im Krankenhaus lernen.
Das ist hier mittlerweile auch schwierig mit 3 anderen Lernenden.
Ich unterhalte mich mit einem weiteren Medizinstudenten, der gerade von einer anderen Station vorbeischaut, weil bei ihm auch nichts zu tun ist. Er ist mir mega sympathisch und ich erzähle ihm von meinen Gefühlen, die er verstehen kann, aber auch meint, dass ich ja einfach weiterhin versuchen kann, etwas zu lernen.
Während ich mit ihm rede, schießen mir sogar die Tränen in die Augen – ich fange mich aber Gott sei Dank haha.
Jedes Mal, wenn ich mir sicher bin, dass ich gehen will, passiert wieder etwas Spannendes, wo ich doch etwas lernen kann: Eine Herzinfarkt Patientin, die auch noch COPD hat und deren Atmung paradox ist. Ich kann nicht aufhören ihr zuzuschauen – ich hab das noch nie gesehen und frage mich erst, ob ich es falsch sehe, bis ich meine Vermutung vom Arzt bestätigt bekomme.
Paradox heißt, dass sich ihr Bauch und Brustkorb bei der Ausatmung hebt, anstatt bei der Einatmung und andersherum. So können ihre Lungen natürlich gar nicht das benötigte Volumen bekommen.
Probiert das mal selber aus, euch wird direkt schwindelig und danach gibt’s erstmal nen tiefen Einatmer…
Zusätzlich sind ihre Atemwege durch die COPD total verengt, was es noch mehr erschwert…
Über den Herzinfarkt brauchen wir gar nicht erst reden.
Die paradoxe Atmung kann man wohl akut nicht behandeln, sie bekommt aber eine Verneblermaske, um die Atemwegsmuskulatur zu entspannen, und das klassische Medikamentenschema für Herzinfarkte. Dann soll sie verlegt werden.
Tag vorbei, ich bin am Verhungern.
Heute habe ich Lust auf Momos, also geht es wieder in mein anderes Stammrestaurant.
Schmeckt auch sehr gut und ich mag die Stimmung hier im Restaurant lieber.
Danach muss ich wohl in der Sauna nach Hause fahren..
Als ich auf mein Fahrrad steigen will sehe ich natürlich, dass meine Naivität und Gut- bzw. Leichtgläubigkeit von heute Morgen absoluter Schwachsinn waren und mein Reifen platt ist.
WARUM AUCH NICHT?!? Wenn die Luft über Nacht rausgegangen ist, warum sollte sie dann einen ganzen Tag bei der Hitze auf dem Krankenhausparkplatz drinnen bleiben? Du Vollidiotin.
Also wird erstmal geschoben in der Hoffnung, dass ich irgendwo einen helfenden Nepalesen mit einer Pumpe finden werden. Keine 5 Minuten und die Hitze bringt mich um. Ich kann es gar nicht beschreiben, aber die Hitze fühlt sich an, als würde ein Ventil an meinem Körper geöffnet werden und alle Energie rausgeblasen werden.
Ich habe gar keine Lust mehr und die Sonne knallt mir einen unmotivierten Blick aufs Gesicht haha.
Nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen und Wegbeschreibungen in die falsche Richtung finde ich endlichhhhh eine Pumpe und bin jetzt schon fix und fertig, als ich aufsteige. Jetzt noch eine Stunde fahren – das schaffe ich doch nie.
Genau richtig. Irgendwann halte ich bei einem kleinen Shop und hole mir erstmal Kekse und eine Cola.
Ich setze mich draußen auf einen Stuhl im Schatten und sammele wieder etwas Energie. Halleluja, diese Hitze ist echt eine Herausforderung und ab jetzt wird es nur von Tag zu Tag heißer.
Mal schauen, wie sich das noch so entwickelt… Ich schwinge mich nach einer Weile wieder aufs Fahrrad und schaffe es nach einer schleppenden Ewigkeit endlich nach Hause ^^
Ich glaube es ist mittlerweile fast 5 – um 2 war meine Arbeit aus haha.
Dass nicht mehr viel passiert heute, könnt ihr euch vielleicht denken – ich bin fix und fertig. Der Ventilator wird angeschaltet und der bläst mir wieder etwas Leben in den Körper haha.
Dann geht es an die Medizinstudiumsbewerbung hayayayyyy. Die Portale sind schon länger freigeschaltet, aber ich hatte noch keinen Kopf dafür. Ist irgendwie verrückt, zu wissen, dass dann mein Leben sein wird, was ich jetzt einfach mit ein paar Klicks auswählen werde… Bestimmt habe ich es auch deswegen etwas herausgezögert.
Freiburg als erste Wahl? Boah alles nochmal googlen, alles nochmal anschauen. Ay diese Prioritätenliste ist schon wieder so lange her – ich weiß ja gar nicht mehr, was ich mir bei dem Rest alles gedacht habe…
Ich fange erstmal an, aber da werde ich mir auf jeden Fall nochmal etwas mehr Zeit für nehmen..
Medizinertest hochladen (stolz hihi) und ein paar andere Dokumente. Ich mache das alles ganz in Ruhe Schritt für Schritt.
Habe ja auch keinen Stress, die Bewerbung muss bis Juli fertig sein.
Dann werde ich vom Abendessen unterbrochen, was wieder überragend schmeckt.
Und es gibt schon wieder ein mega cooles Gewitter – das ist jetzt hier wohl Alltag. Keine Überflutung und kein crazy Wind heute, deswegen können wir in Ruhe draußen essen, aber der Himmel wird immer wieder erhellt von Wetterleuchten und Blitzen. Ich find’s sooooo coooolllll AH!

Ich schlafe hier beim Abendessen schon immer fast ein. Wahrscheinlich liegt es an der Hitze, aber ich gehe immer sehr früh schlafen. So auch heute.
Bussi Bussis,
~Maite

Ein Kommentar bei „Hin und Hergerissen und ein kräftezehrender Heimweg“

  1. Ey du rockst das mit der med Bewerbung genau so wie du den med test gerockt hast ❤️❤️❤️
    Und auch der Rest wird sich finden du wirst dich richtig entscheiden, was du machen willst
    Hauptsache du nimmst demnächst beim Radfahren eine Pumpe mit 😉
    Kuss und big hug from Mama

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