Hallo ihr Lieben. Ich hoffe, ihr habt euch keine Sorgen um mich gemacht. Wohlauf bin ich die letzte Woche jeden Tag viele Kilometerchen gewandert – und habe abends fleißig an meinem Blog geschrieben. Lediglich das Internet, um euch teilhaben zu lassen, hat gefehlt. Also wird das jetzt alles nachträglich veröffentlicht. Es ist eine Menge…. Bussis und viel Spaß.
Donnerstag.
Die Nacht ist tip-top. Ich schlafe in dickem Pulli und Wollsocken.
Ich wache einmal auf, schwitze mich zu Tode und ziehe alles aus – nur um dann eine halbe Stunde später völlig frierend aufzuwachen, um alles wieder anzuziehen haha.
Als ich aufstehe, erstrecken sich über mir die schneebedeckten Berge und der Ausblick ist so klar wie nie zuvor. Die Sonne beleuchtet die Berge im Scheinwerferlicht.
Es ist unglaublich. Ich sehe den Lamjung Gipfel und außerdem eine Teil der Annapurna-Bergkette.
Wow! So lässt es sich definitiv aufwachen.
Außerdem veranstalten die Buddhisten von gestern gerade in meinem Hostel eine Zermonie. Es ist so besonders, ein kleiner Teil davon zu sein. Ich kann ihre Musik hören, draußen gibt es ein kleines Feuer und außerdem tritt Räucherdampf aus einer Art Skulptur heraus.
Der Rauch tut mir ehrlich gesagt nicht so gut, er bringt mich eher zum Husten.
Aber ich finde es trotzdem mega cool, das alles zu erleben. Ich fühle mich fast ein wenig komisch, als ich Frühstück bestelle, weil ich das Gefühl habe, ich platze irgendwie in die Magie hinein.
Ist aber alles in Ordnung – ich esse draußen mit Bisman gemeinsam Porridge und schaue dabei auf einen 6900er Gipfel. Wie unbeschreiblich.
Es joggt eine Gruppe Nepales:innen vorbei, die die gleichen Trainingsanzüge tragen, wie die, die mir in Pokhara entgegengekommen sind.
Womöglich ist das ja eine Schule oder Ähnliches. Das ist hier auf jeden Fall ein rieisiges Dorf – mit Schule und allem. So cool. Auf 2710 Metern.
Bereit machen für den Tag, dann geht die Wanderung los.
Das Loslaufen ist mal wieder total zäh und ich bin sehr unzufrieden. Mein Rucksack hängt irgendwie schief auf meinem Rücken – ich bin die ganze Zeit am justieren; mal eine Seite enger, mal die andere, den Bauchgurt enger, den Brustgurtenger, MIST jetzt kriege ich keine Luft. Und so weiter und so fort. Die linke Seite ist die ganze Zeit irgendwie tiefer und außerdem hängt auch der gesamte Rucksack gefühlt tiefer als sonst.
Grrrr.
Ich bemerke, dass ich vergessen habe, mich einzucremen, also machen wir eine kurze Pause.
Ich creme mich ein und bemerke, dass ich vergessen habe, die unteren Strapse meines Rucksacks zu schließen. AHHHH – Erleuchtung und Befreiung zugleich. Gott sei Dank. Ich ziehe sie ganz feste zu und bin wieder zufrieden. Der Rucksack hängt mir nicht mehr gefühlt in den Kniekehlen.
Es verblüfft mich mal wieder, welch rieisigen Unterschied so eine Kleinigkeit machen kann. Fröhlich kann ich jetzt also vollkommen in die Wanderung starten.
Der folgende Weg ist ziemlich monoton. Der Ausblick ist wunderschön, aber es geht kontinuierlich durch den Wald die Straße entlang. Ich versinke total in meinen Gedanken und baue mir ganze Welten auf, durch die ich gedanklich durchspaziere.
Als ich wieder in die Realität zurückkehre, bemerke ich, dass Bisman ein ordentliches Stück hinter mir ist. Upsiiii.
Er meint, er hat sich mit einer Lehrerin verquatscht, die auf eine Mitfahrgelegenheit wartet, weil sie 1h bergaufwärts an der Schule unterrichtet, aber hier unten bei ihrer Familie wohnt.
Heute kommt sie wohl viel zu spät, weil sie niemand mitnimmt bisher. Was ein verrücktes Leben.
Wir laufen und laufen und laufen, bis wir eine Gruppe anderer Trekker treffen. Eine Frau und zwei Männer aus Barcelona.
Diese haben heute das gleiche Ziel, also schließen wir uns als Gruppe zusammen.
Ich erfahre, dass David, mit dem ich mich die meiste Zeit unterhalte, mit seinem Bruder und dessen Frau unterwegs ist. Sie trekken 16 Tage.
Cool!
Ich genieße es total, mich zu unterhalten, merke aber schnell, dass meine Kondition dabei nicht so lange mitmacht. Halleluja bin ich am Schnaufen. Die Konversation wird immer wieder unterbrochen und wieder fortgeführt. Bisman ist auch total happy, dass er einen Buddy gefunden hat und unterhält sich ganz angeregt mit dem anderen Guide.
Der Ausblick ist mal wieder atemberauend und das Gefühl von Überwältigung ist mittlerweile mein ständiger Begleiter. Es ist einfach nicht in Worte zu fassen, was diese Orte mit mir machen. Ich stehe einfach nur da, kann nicht aufhören zu grinsen, hab den Mund offenstehen und lasse mich von der Überwältigung umhauen.
Wir überqueren eine Brücke und dieser Ort ist wie eine Traumwelt. Ich bin gerade dabei, ein Video zu filmen, als plötzlich ein rieisger Adler durch mein Bild schwingt.
ICH KANN MEINEN AUGEN NICHT TRAUEN. Ich könnte losheulen.
Er ist so rieisig und schwebt mit seinen ausgebreiteten Flügel seelenruhig durch die Luft. Er sieht so majestätisch, elegant und gleichzeitig so stark aus.
Der Moment ist wirklich so unbeschreiblich.
Er dreht eine Runde und kommt nochmal zurück – ich stehe einfach nur mit offenem Mund da und versuche, zu begreifen, was hier gerade passiert. Ein unglaubliches Lebewesen!
Und stellt euch mal vor, hier zu leben und über die Berge zu fliegen. Wahnsinn!
Die Berge sehen aus, als wären sie von einer Seite aus glatt geschliffen worden. In etwa so, wie wenn man bei Skifahren eine vom Wind glatt geblasene Schneeflanke sieht.
Ich frage Bisman, ob der Wind die Felsen abschleift und formt. Es ist allerdings nicht der Wind, sondern Wasser. In Form von schmelzendem Schnee fließt es diese riesigen Steinwände hinab und verursacht diese Steinstruktur. Überragend!!
Wir sind mittlerweile schon über 3000 Metern, befinden uns aber immer noch unten am Fuße der Berge. Bei einem Teil der Berge, bei denen ich nach den Namen frage, meinen die Guides, dass diese Berge keinen Namen haben, weil sie nicht hoch genug sind. Pahah. Auf über 3000 Meter ragen diese weit über unsere Köpfe hinweg.
Die Zugspitze ist knapp unter 3000 Metern hoch. Da werden mir erneut diese unglaublichen Dimensionen bewusst.
Weiter geht’s und es geht endlich mal wieder von der Jeep-Straße weg und ab in den Wald. Der hat es mal wieder in sich, aber ich genieße es total.
Wir machen eine Rast und gehen etwas gestaffelt weiter. Erst Karla und ihr Ehemann Jorgi, dann David und ich und unsere beiden Guides machen am längsten Rast.
David und ich holen Karla und Jorgi ein. Wir kommen an eine Abzweigung und sind uns nicht sicher, welches der richtige Weg ist. Es gibt die Jeep-Straße und einen Waldweg.
Wir warten eine Weile auf die Guides, dann gehen Karla und Jorgi in den Wald – David und ich warten noch locker 10min. Als die Guides immer noch nicht kommen, wählen auch wir den Waldweg. Ich find’s n bisschen frech, dass unsere Guides sich so viel Zeit lassen. Ist ja schön, dass sie sich so gut verstehen, aber sie haben immer noch nen Job. Und jetzt warten wir seit 15 Minuten an einer Abzweigung, weil wir uns nicht sicher sind, ob beide Wege zum Ziel führen.
David und ich laufen durch den Wald – der Weg ist wunderwunderschön, bis wir wieder die Jeep-Straße kreuzen. Wir entscheiden uns weiterhin für den Waldweg und wandern weiter. David meint, alle Wege führen nach Rom. Das Sprichwort gibt es wohl in jeder Sprache haha.
Irgendwann gelangen wir an ein Camp. Einige Nepalesen sitzen vor ihren Zelten und essen Dal Bhat, das wohl gerade über einem Feuer gekocht wurde. Wie pur und echt!

Sie leben hier und arbeiten in der Nähe am Berg. Wahnsinn, wie anders das Leben hier sein muss. In Zelten leben, über Feuer kochen und der Arbeitsweg besteht aus Wandern. Ich lächele die Essenden unter ihnen an und frage „Mito-cha?“ Daraufhin lächeln sie und meinen jaa.
Ich habe sie gefragt, ob das Essen schmeckt. Mal wieder ein toller Moment, um etwas nepalesisch zu können. Es erfüllt mich so sehr, in die leuchtenden Augen zu schauen, wenn sie bemerken, dass ich etwas ihrer geliebten Sprache kann.
Wir fragen sie, ob hier ein Paar vorbeigelaufen ist und sie verneinen… Oh Oh. Vielleicht haben wir uns doch verlaufen.
Ich weiß Gott sei Dank, wie unser Übernachtungsort heißt, frage danach und wir bekommen die Antwort, dass wir richtig sind. Okey – tiptop!
Nach wenigen Minuten treffen wir auch schon den Guide der spanischen Gruppe, der uns entgegenkommt.
Die haben wohl auch gedacht, dass wir verloren gegangen sind. Sie haben die Jeep-Straße genommen und waren viel schneller als wir.
Ja gut – können wir jetzt auch nichts für. Bisman weiß auch mittlerweile eigentlich, dass ich doch immer den abgelegenen Wanderweg wähle, wenn es geht.
Er ist schon deutlich weiter vorne, weil sie sich aufgeteilt haben, um uns zu suchen. Hätte ja auch sein können, dass wir sehr schnell waren. Naja, alle haben sich wiedergefunden, er wartet dort, wo er gerade ist, auf uns und alles ist gut.
Wir finden uns wieder zusammen und weiter geht’s. Wow – hier ist es mittlerweile echt frisch und extrem windig. Ich spüre langsam, dass wir eine gewisse Höhe erreichen.
Nach etwa weiteren 30 Minuten erreichen wir gegen 1 heute schon unser Hostel.
Der Tag heute ist eher kurz, weil hier die Aussicht so toll ist und der nächste Stopp auch ziemlich weit weg ist. Morgen wird es dann so richtig hart, weil die Strecke echt steil und lang ist.
Also: heute etwas Pause, morgen dann durchpowern.
Ich weiß, dass ich heute noch ein paar Körner übrig habe – traurig, dass wir schon da sind, bin ich aber auch nicht. Es wird heute also ein entspannter Nachmittag.
Ich ziehe mich um, setze mich zu einer wundervollen Aussicht in den Essensraum und bestelle Dal Bhat.
Ach, schmeckt das Mal wieder gut. Ich werde einfach nie enttäuscht.
Ich bin echt total kaputt, das merkt man erst immer so richtig, wenn der Körper runterfährt. Mein Gesicht spannt von der Sonne, mein Kopf dröhnt etwas und meine Augenlider sind schwer.
Ein Nickerchen könnte ich schon gebrauchen, erstmal kümmere ich mich aber um meinen Blog!
Ich schaue der Köchin zu, wie sie Momos macht. Die Küchen hier sehen immer so gemütlich aus. Es ist total einfach gehalten, aber gerade das macht es aus. In diesen einfachen Küchen wird hier fantastisches Essen gezaubert und das ist so beeindruckend.
Ich probiere den Momo Teig, er besteht wirklich nur aus Wasser und Mehl. Das Gemüse für innen drin wird geraspelt.
Der Wind pfeift nur so gegen die Fenster und Türen. Ajeee wir sind immer noch „erst“ auf 3300 Metern. Ich werde dort oben erfrieren… Der Essensraum besteht fast vollkommen aus Glasfenster, die von Holzumrandungen gehalten werden und mit der Sonne heizt es sich hierdrin extrem auf. Draußen weht der eisekalte Wind. Ich werde hineinkatapultiert in die Erinnerungen an die Hüttenurlaube im Axamer Lizum, wo einem auch der kalte Wind ums Gesicht blies, wenn man mal vor die Türe ging.
Tja, jetzt bin ich gerade am anderen Ende der Welt.
Ich erneuere mein Henna-Tattoo. Es geht mir hier gar nicht ums Aussehen; ich bin seit 3 Tagen ohne Dusche in den Bergen unterwegs, meine Ansprüche sind nicht mehr hoch haha. Aber mir gefällt der Vibe und es macht sehr viel Spaß, es zu malen.
Ich gehe in mein Zimmer und lackiere meine Nägel. Das hat den Hauptsinn, dass ich so viel weniger daran knabbere 🙂 also dachte ich mir, die paar Miligramm Extragewicht hält mein Rücken noch aus.
Ich beginne endlich mein Buch, da ich heute einmal Zeit dafür finde.
Das Buch habe ich im Hostelregal gefunden. Es handelt von einem nepalesischen Bergmädchen, das in die Stadt zieht, um für ihre Familie Geld zu verdienen. Als am Anfang ihre Heimat beschrieben wird, habe ich ein exaktes, lebendiges Bild vor Augen. An wie vielen genau solcher Dörfchen ich bereits vorbeigewandert bin. Verrückt.
Es ist jetzt schon total spannend, die Perspektive zu wechseln und mit diesem Buch die Perspektive einer vorbeilaufenden Reisenden zu verlassen. Und dafür einzutauchen in die Wirklichkeit dieser Welt.
Nach ein paar Seiten merke ich, dass ich einfach zu müde bin und zu starke Kopfschmerzen habe. Also will ich mich eine Weile ins Bett legen und die drei ??? hören. Als ich meine Decke hochhebe, taucht ein fetter schwarzer Käfer auf. Ich setze ihn vor die Tür, bete dass er seine Familie Zuhause gelassen hat und lege mich hin.
Dann telefoniere ich ganz kurz mit Mia und Lisa, was superschön ist.
Ich wage mich mal wieder nach draußen und der Ausblick ist noch atemberaubender geworden.
Ich erfahre, dass es eine Dachterrasse gibt und da geht’s direkt gemeinsam mit David hoch.
Es. Ist. So. Überwältigend.
Mittlerweile ist fast jede kleinste Wolke verschwunden, die Sonne geht unter und beleuchtet die Berge in ihrer vollen Pracht. Ich setze mich auf den Tisch – es ist unglaublich frisch und ich ziehe meinen Fleece bis über meine Knie.
Dieser kalte Wind, die Unterhaltung mit David und dieses Panorama kann ich wirklich einfach nicht mehr in Worte fassen.
Es ist alles so unendlich, bedingungslos und wunderschön.
Wenn es nicht so eisekalt wäre, könnte ich hier für immer bleiben.
Wir bleiben eine Weile auf dem Dach, unterhalten uns oder genießen einfach stumm und gebannt den Ausblick. So so wunderschön :‘)

Da die Kälte aber echt an meinen Kräften zehrt, geht es wieder nach drinnen.
Dort gibt es ein kleines süßes Kaminfeuer.
Die Stimmung ist mega toll, wir setzen uns alle um den Kamin und die Frau, die das Hostel bewirtschaftet, bereitet das Abendessen vor.

Ich hab echt ziemliche Kopfschmerzen und mache mir etwas Sorgen wegen der Höhe.
An sich bin ich ja gar nicht der Mensch, der so in seinen Körper hineinfühlt und aus jeder Mücke gleich nen Elefanten macht, aber ich hab echt nie Kopfschmerzen und dafür sind sie schon recht stark.
Naja – wir sind ja auch den ganzen Tag mit Sonne und Wind gewandert; es muss nicht zwingend an der Höhe liegen.
Jetzt warten wir erstmal ab und schauen, wie sich das so die nächsten Tage entwickelt.
Das Abendessen ist wie immer unglaublich lecker und dann verabschiede ich mich auch schon ins Bett. Morgen frühstücken wir schon um 6, weil wir einen langen Tag vor uns haben, also geht’s auch früh ins Bett.
Ich telefoniere noch kurz mit Finn, mache mich bettfertig und sehe einen RIEISGEN Tausendfüßler.
Igiiitttt der hat wirklich so lange Beine.
Er verkriecht sich zwischen den Holz-Planken und ich bemühe mich, ihn einfach auszublenden und gehe ins Bett.
Nicht die Gedanken an den Tausendfüßler, sondern meine Kopfschmerzen machen es mir extrem schwer, einzuschlafen. So ein Mist.
Plötzlich höre ich ein Schreien von draußen und habe die Theorie, dass Karla einen gleichen Tausendfüßler, wie ich gesehen hat. Ich muss mega lachen haha.
Mit den drei Fragezeichen schlafe ich dann irgendwann auch ein.
Bussi Bussis,
~Maite