Sunrise Hike, Arbeiten und ein entspannter Nachmittag

Freitag. Gestern bin ich schon um halb zehn ins Bett gegangen – der Grund dafür:
Heute morgen klingelt der Wecker um 03:50. WIE BITTE?!? Jup, ganz genau – ich möchte nämlich einen Sunrise Hike machen. Das ist hier DIE Touristenattraktion schlechthin. Jeder muss einmal oben gewesen sein – ich war es bisher noch nicht, also kein Gemecker wegen des frühen Aufstehens, sondern ab geht die Fahrt. Ich schleiche mich durchs Zimmer und schnappe mir so leise wie möglich meine Sachen, sodass meine Roomies nicht aufwachen.
Ab in die Küche und ein Müsli machen – nach dem Sonnenaufgang fahre ich nämlich direkt in die Arbeit und da möchte ich nicht verhungern.
Auf einmal höre ich eine Tür gehen und denke mir – HÄ – wer ist denn bitte wach um die Zeit.
Dann läuft auf einmal eine Gestalt den Flur lang und ich erschrecke mich ordentlich, obwohl ich die Tür gehört hatte.
Sophia wurde von ihrer Zimmernachbarin geschickt, um zu checken, ob sich ein Einbrecher in der Küche rumtreibt hahahah. Sie fragt mich verwirrt, was ich um die Uhrzeit bitte hier mache und wünscht mir dann viel Spaß beim Lionshead.
Mein vorreservierter Uberfahrer hat leider wieder gecancelt und ich muss hoffen, dass ich jetzt einen Uber bekomme…
Die ersten 10min nichts. Oh jeee – mitten in der Nacht könnte das schwierig werden… Ich setze mir ein Limit, wenn’s bis halb fünf nicht klappt, bleibe ich Zuhause und lege mich wieder ins Bett. Dann würde ich wahrscheinlich eh den Sonnenaufgang verpassen. Und das warme, bequeme Bett ist auch ziemlich verlockend.
Abeeer glücklicherweise nimmt mich ein netter Uber Fahrer an. Mir fällt noch auf, dass ich an alles gedacht hab außer meine Brille und schnappe mir die noch fix. Man, wär das ärgerlich – so früh aufgestanden und nen Berg hochgewandert, um dann nur verschwommene Umrisse vom Sonnenaufgang zu erkennen.
Angekommen sehe ich schon eine riesige Gruppe mit einem Guide vor dem Start stehen. Und ein Pärchen, was sich schnell daran vorbeischlängelt.
Genau so mache auch ich das, ich hab keine Lust die ganze Zeit hinter einer riesigen, lauten Gruppe langzulaufen. Also lege ich einen ganz schnellen Start hin und beginne mit schnellem Schritt meine Wanderung.
Ich kann’s kaum fassen, dass ich hier bin – ich sehe so viele glitzernde Lichter der Stadt und über mir erstreckt sich ein endloser, dunkler Sternenhimmel. Unglaublich dieses Gefühl, alle Müdigkeit ist wie weggeblasen.
Von meinem Kopf aus leuchtet das intensive Licht der Stirnlampe, die ich dank Papa Gott sei Dank eingepackt habe. Ich hab noch gedacht, man typisch Papa – die werde ich doch niemals benutzen – und jetzt lerne ich mal wieder aufs Neue, dass es doch manchmal ganz schlau ist auf seine Eltern zu hören. (aber nur manchmal 😉 )
Unter dem Gummi der Stirnlampe klebt meine Mütze an meiner Stirn – auch das erste mal, dass ich die hier benutze. Darunter laufen mir die Schweißperlen meine Nase runter.
In meinen Beinen steckt immernoch die Wanderung von vorgestern, das merke ich hier ziemlich schnell.
Außerdem unterschätzt ich immer, wie viel anstrengender alles wird, wenn man es mitten in der Nacht macht – mein Atem wird super schnell und flach. Und ist nicht zu überhören in dieser sternenreichen, bezaubernden Ruhe.
Auch mein Herz pocht so schnell, dass ich das Gefühl habe, ich wäre schon drei Marathons gelaufen.
Das ist aber gar nicht schlimm, ich nehme mir immer mal wieder kleine Pausen und schaue mir mit größtem Vergnügen den unbegreiflichen Ausblick an.
Immer wieder schweifen meine Gedanken zurück zu meinem Bett und ich denke mir: Wow, wenn ich da jetzt drinliegen würde, würde ich das alles hier verpassen. So wie alle meine Mitbewohner:innen es gerade tun (Die meisten haben die Wanderung aber tatsächlich schon gemacht 😉 )
Ich dachte, der Wanderweg wäre super „langweilig“ und es ginge einfach nur kontinuierlich einen Kiesweg hoch.
Ich hab mich aber getäuscht, teilweise sind Leitern, Ketten und Griffe in den Weg eingebaut, weil es sonst zu steil wäre.
Man kann irgendwann auch an einer Abzweigung wählen zwischen dem „normalen“ Wanderweg und dem anspruchsvolleren Weg „auf eigene Gefahr“. 3 Mal dürft ihr raten, welchen ich nehme haha.
Da wird’s schon eher ein bisschen anspruchsvoller mit dem Klettern, ich laufe jetzt aber direkt hinter einem Guide und seiner Begleiterin, sodass ich mir da ein wenig was abschauen kann. Und so bin ich auch nicht vollkommen alleine 🙂
Es wird immer anstrengender und ich beeile mich, sodass ich oben nichts verpasse. Mir rennt wirklich eine Schweißperle das gesamte Gesicht runter – Wow das hatte ich lange nicht mehr, normalerweise bleiben die irgendwo kleben.
Den Rest der Wanderung beschreibe ich nur mit 3 Worten FREIHEIT, SCHWERELOSIGKEIT und GLÜCKLICHSEIN und lasse euch an dem Rest einfach durch ein Video teilhaben:

https://photos.app.goo.gl/joSDFdNkwD54nSLx5

Das Uber zum Krankenhaus macht mich arm… 7:20 mitten durch die Stadt im dichtesten Berufsverkehr – AUA das schmerzt, 13€ für eine EINZIGE AUTOFAHRT. Das hab ich vorher nicht so durchdacht und muss mich also meinem Schicksal ergeben oder die Arbeit schwänzen.
Im Uber geht bei mir vollkommen die Luft raus – ein schwarzer Vorhang fällt immer wieder von oben auf meine Augen herab und ich denk mir ayayay bis 2 Uhr arbeiten, wie soll ich das denn machen?!?
Im Krankenhaus angekommen hat natürlich wieder niemand Zeit, mich einer Station zuzuteilen – ich erwarte es auch schon gar nicht mehr, finde es aber trotzdem jedes Mal wieder die reinste Frechheit. Wenn ich meine Station nicht lieben würde, hätte ich schon längst nen Aufstand gemacht.
Es ist sehr wenig zu tun am Morgen, deswegen steh ich viel rum. Dann kommt allerdings eine Schwester aus der Babyclinic rein und sagt, dass die da drüben sehr viel zu tun haben, und ich biete an, mitzuhelfen.
Der beste Vorschlag meines Lebens, ich nehme den ganzen Vormittag alleine Blut ab und bekomme echt viel Übung. Manche Venen versaue ich, insgesamt ist meine Quote aber echt ganz gut YEAH 🙂
Danach gehe ich in die Tee Pause und kann endlich endlich mein Frühstück essen, Hilfe – ich bin schon fast umgekippt. Außer zwei Karotten und 2 Mini Donutballs auf dem Berg, hab ich heut noch nichts Nahrhaftes zu mir genommen.
Das Müsli schmeckt viel zu gut.
Danach gebe ich noch eine Impfung, dann gibt’s für mich nur noch wenig in der Babyclinic zu tun und ich gehe zur MOU zurück.
Eine Infusion zusammgesteckt und dazu gratis eine Schwester, die eher unkooperativ ist.
Ich frage sie, ob ich das Magnesium für die Infusion aufziehen darf – sie antwortet, das sei sehr schwer zum Aufziehen. Ich erwidere, dass ich das schonmal gemacht hab und alles gut geklappt hat – sie ignoriert das einfach und ziehts selbst auf. Fragt mich noch, ob ich’s ihr aufmachen kann – najaa okeeee.
Dann eben kein Magnesium aufziehen für mich.

Das schlimmste an dem Tag heute ist der Geruch, der die ganze Zeit aus der Küche rüberzieht. Eine Schwester hat heute ihren letzten Tag, deswegen gibt es später eine Abschiedsparty. Eine der anderen Schwestern backt ein türkisches Gericht im Ofen und HILFE ich sterbe – es riecht so gut….
Die andere Schwester haut ihre Softdrinks einfach in den Stationskühlschrank, wo sie neben Impfungen und Medikamenten schlummern und kalt werden dürfen. Parallelwelt hier mal wieder haha.

Dann bekomme ich ein Kompliment, das mich glücklich macht :-))
„You’re really hands on for a student“
‚- Is that a good or a bad thing? -‚
„Noooo it’s a good thing – you’re doing what the medical students should do but they are lost.“
Hihiiii da freu ich mich wieder sehr.

Kurz vorm Gehen, meint eine Schwester zu mir „Maite komm hilf mir“ Da freue ich mich – klar.
Was soll ich machen?… Die Tische für die blöde Party aus der Abstellkammer holen und aufbauen. Ich bin doch nicht euer Hausmädchen. Naja gut, in 20 Minuten ist meine Schicht eh vorbei.
Ich hab gar keine Lust drauf, mache es aber halbherzig und helfe dann noch beim Aufbauen von irgendeinem komischen Pavillon.
Ich werd als Laufburschin zu einer Schwester geschickt, die irgendwas holen soll und nutze die Gelegenheit, um dem unnötigen Aufbauen zu entfliehen. Damit die Schwester das Ding holen kann, übernehme ich das Nähte-Entfernen für sie und komm nicht mehr zum Aufbauen zurück.
Als ich damit fertig bin, höre ich zum ersten Mal den Herzschlag von einem im Bauch schlummernden Baby ab und find’s total toll 🙂 Ich sehe nur einen riesigen Berg an Bauch vor mir. Und mit einem coolen Gerät und ein bisschen Jelly-Gel höre ich das darunter pochende, starke Herz eines kleinen Menschlein, das nur darauf wartet, das Licht der Welt zu sehen. Das beeindruckt mich total und das Herz des kleinen Wesens schlägt genau so kräftig, wie es soll. 🙂
Dann geht’s ab nach Hause.

Die Küche ist mal wieder voll und ein neues Mädchen ist auch angekommen.

Ich erfahre, dass es morgens eine große Diskussion gab, wer sich da bitte mitten in der Nacht in der Küche bewegt hat. UPSIIIII, ich war eigentlich echt leise…

Ich mache mir einen Couscous Salat und telefoniere mit Mia. Dann mache ich mir einen gemütlichen Nachmittag und schneide das Video oben zusammen. Ich häkele, als Finni mich anruft, dann wird mit ihm noch ein bisschen telefoniert.

Anschließend kuschel ich mich ins Bett und schaue mir Vaiana an. Währenddessen bestelle ich mir Sushi – das gönne ich mir mal. Das ist das erste Mal, dass ich mir hier zuhause Essen bestelle. Beim Essen ruft mich Philipp an – huiuiui ich hätte nicht gedacht, dass man gleichzeitig so sozial unsozial sein kann. Nicht vor die Tür gegangen aber drei Updates von Zuhause bekommen 🙂

Das Sushi schmeckt fantastisch, danach geht es wieder ins Bett und ich schlafe schon um halb zehn beim Film ein. Das war aber auch ein langer, wunderschöner Tag mit tollen Erlebnissen und Gefühlen.

Gute Nacht.

Bussi Bussis,

~Maite

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